Thumulla.com

… ein’ Blum’ und fallend Laub*

Die Knospe der Blume ist das Versprechen des Erblühens, die Erwartung verborgener Pracht. Die Blume ist der Inbegriff erwachender Anmut. Mal klein und unscheinbar wie das vielbesungene Veilchen, mal strotzend vor Üppigkeit und Überfluss, wie die Rose, der man ihre Vorfahrin, die zarte Wildrose, kaum noch anmerkt.

Blumen sind ein beliebter Vergleich in der profanen Literatur der Küchenlieder und Poesiealbumsverse [1].

Auch die großen Poeten greifen zu diesem Vergleich. In dem Goethe-Gedicht “Das Heidenröslein” [2] ist die Dornenbewehrte das Sinnbild der tugendhaften Schönen, die gebrochen wird – den Widerstand aufgibt, nicht widerstehen kann?

Die Blume hat noch eine andere Vergleichsebene, die bei genauer Betrachtung gar nicht so fern dieser erstbeschriebenen ist. So wie das junge Mädchen als Blume empfunden wird, so wird ihr Erblühen zur Frau, bestimmungsgemäß als fruchttragend, als reif schließlich, als verwelkt am Ende gesehen.

Die andere Vergleichsebene findet sich vornehmlich in der Bibel. Da wird das Leben, und speziell das Leben des Menschen, verglichen mit der Blume. [3] Nicht mit der Pflanze, denn die ist ja in der Erde verwurzelt, zieht sich zurück, treibt neu aus, wächst, bildet Ableger.

Wir kaufen uns einen Blumenstrauß, weil Blumen auch Blühen, Blüte, Farbe und Schönheit verkörpern. Ein Blumenstrauß hebt die Stimmung, vertreibt die Tristesse. Und obwohl die schönsten Nachbildungen der Vergänglichkeit trotzen, keine Mülltonne verstopfen, keine Vase verunreinigen, ist uns ihre Wandellosigkeit zuwider.

Die Blume ist genaubesehen das Sinnbild der Vergänglichkeit. Sie erblüht, der Wind geht darüber und die Blütenblätter treiben davon. Nur – Blüten sind uns immer noch die Hoffnungsträger der kommenden Früchte. Daher erscheint uns ein Kirschbaum, von dem der Blütenschnee rieselt, gar nicht traurig, denn schon runden sich die Fruchtansätze und versprechen sommerliche Fülle.

Blühende Magerwesen – Margerithen, Wiesensalbei, Flocken-, Glocken-, Witwenblumen, Vogelstiefmütterchen und Rotklee – sind Wiesen gewichen, die vor Überdüngung starren, so dass Heublumen nicht mehr darauf gedeihen. Aber man kann sich an den gelben Löwenzahnteppichen im Mai erfreuen, die über Nacht weißdaunig im Wind wehen. Heuwiesen tragen keine Früchte. Zusammen mit den Gräsern bilden die Blumen die aromatische Kräutermischung, die dem Weidevieh auch noch im Winter schmeckt.

Die Blumen, die – im Verblühen vom Wind im offenen Gras gestreift – verwehen, sind der Inbegriff der biblischen Mahnung an die Vergänglichkeit.

Jetzt, spät im Herbst, vergegenwärtigen die welkenden Blätter uns die Unbeständigkeit des Lebens – Herbstlaub, das bei Sonnenschein noch in den Farben des “Goldenen Oktobers” prangte, klebt beim ersten verregneten Windstoß auf dem Pflaster, wartet schließlich zu braunen Haufen zusammengekehrt am Straßenrand.

* Aus dem Kirchenlied “Nun lob mein’ Seel’ den Herren”
* EK 289 nach Psalm 103
* musicanet.org – Nun lob, mein’ Seel’, den Herren

[1] “Sei wie das Veilchen im Moose,
[1] bescheiden, sittsam und rein.
[1] Und nicht wie die stolze Rose,
[1] die immer bewundert will sein.”

[2] balladenjukebox.org – Das Heidenröslein (pdf)

[3] „Wir sind Staub. Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blüht wie eine Blume auf dem Felde; wenn der Wind darüber geht, so ist sie nimmer da, und ihre Stätte kennet sie nicht mehr. Wir sind Staub.“ Psalm 103, Vers 15,16

Gunhild Simon
Okt 26 2009

alle    deutsche Sprache    Gunhild Simon    Startseite(__index)



Thumulla.com    Startseite der Artikel    Links und Werbung    Diskussion    Suche auf dieser Seite