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Adjektiv und Adverb – Wortart oder Satzglied?

Die Unterscheidung eines Adjektivs von einem Adverb wirkt auf den ersten Blick im Deutschen banal. Nichts scheint sie explizit zu trennen, nicht einmal die Schreibung ändert sich bei der unterschiedlichen Verwendung wesentlich, wie etwa im Englischen -ly, im Französischen -ment. Z. B. Der Gepard ist schnell. Der Gepard läuft schnell. Der Gepard ist ein schneller Läufer.

Der Begriff des Adverbs unterscheidet sich von vergleichbaren »Wortarten«, denn zu einem Adverb »wird« ein Wort oft erst durch seine Anwendung, durch seine Aufgabe im Satz. Es hat eine näher beschreibende Funktion, sei es bezogen auf das Verb, das Adjektiv oder als adverbiale Bestimmung auf eine komplexe Aussage. Die letzte ist bereits ein Hinweis darauf, dass es sich eher als Satzglied verstanden wissen will denn als Wortart. Denn als Wortart fällt es unter die weitgestreute Rubrik der »Nichtflektierbaren«, und das macht schon den Hauptteil seiner Charakteristik aus.

Beispiele
Der abseitige Wunsch, ein Schloss zu bewirtschaften. (Adjektiv, flektiert)
Abseits spielende Kinder werden ausgegrenzt. (Adverb zum adjektivisch gebrauchten Partizip)
Das Kind steht abseits der Gruppe. (Präposition)
Das Kind spielt abseits. (Adverb/adverb. Best.)

Es gibt Adverbien, die in ihrer Form wie Adjektive erscheinen, jedoch ihr Gebrauch weist sie als pure Adverbien aus.

Adverbien haben die Eigenschaft, unveränderlich zu sein, unflektierbar, obwohl es formal möglich erscheint: anscheinend, völlig (daher wohl der synonym verstandene, mittlerweile überbordende adverbiale Gebrauch von voll und total: voll korrekt, total schön ).

Die meisten Adjektive sind als Adverbien verwendbar. Dann stehen sie als Attribut, also nähere Bestimmung, eines anderen Adverbs, Adjektivs oder Verbs.

Beispiele
– die ganzen Leute (adjektivisch)
ganz nette Leute (adverbial)
ganz schnell laufen (adverbial. Hier ist ganz das zu dem seinerseits adverbialen schnell gehörige Adverb)

Adverbien sind wegen ihrer attributiven Eigenschaft untauglich, ungrammatisch, als Prädikativ. Denn ein Prädikativ ist eine Ergänzung des Prädikats, das sonst unvollständig ist. Das kann man erproben, indem man ein reines Adverb, quasi in einer Einsetzungsprobe, prädikativ zu verwenden versucht.

Das ist (nur) scheinbar. *Das ist anscheinend.* Das stimmt anscheinend.

Zwar erscheinen anscheinend und scheinbar inhaltlich zunächst fast als Synonyme, sieht man von ihrer Differenz ab, die sich in nur scheinbar = trügerischerweise entgegen anscheinend = offensichtlich, tatsächlich ausdrückt. Abgesehen vom Inhalt trennt sie jedoch eine grammatikalische Qualität.

Weitere Beispiele von prädikativen Einsetzungsproben und der adverbialen Verwendung:
Das ist besonders. *Das ist sehr.* Das erfreut sehr.
Das ist immerwährend. *Das ist immer.* Das währt immer.
Das ist voll/vollständig/vollkommen. *Das ist völlig.* Das befriedigt völlig.
Das ist ewig. *Das ist ewiglich.* Das währt ewiglich.

Daran anknüpfend lässt sich zeigen, dass es auch im Deutschen reine Adverbien gibt, die qua Endung eine Differenzierung in Adjektiv und Adverb nahezulegen scheinen, nämlich solche, die nach der adjektivischen Endung -ig ein zusätzliches adverbiales, dem englischen -ly verwandtes -lich anführen. Sie wirken zunächst überfrachtet, poetisch, altertümlich, jedoch sind sie bei genauer Betrachtung nur adverbial umgeformt und verwendbar: gnädiglich, ewiglich etc.

Auch in der völlige Fehler, das völlige Missverständnis scheint zunächst nichts zu beanstanden. Dennoch halte ich Das ist ein vollständiges/vollkommenes Missverständnis. Das ist ein grundsätzlicher/grundlegender Fehler. für die bessere Formulierung.

Betrachtet man das Wort wahrscheinlich, ein auf den ersten Blick klassisches Adverb, so lässt sich leicht ermitteln, dass es flektierbar ist, also auch als Adjektiv verwendet werden kann, ebenso wie scheinbar:
Der wahrscheinliche, der scheinbare, der offensichtliche Fehler, jedoch nicht: der anscheinende, der offenbare Fehler. Grammatisch verhält sich scheinbar zu anscheinend wie offensichtlich zu offenbar. Die Erklärung liegt im adverbialen Charakter der Aussage: Es ist nicht das Attributive, *Der anscheinende/offenbare Fehler lag im Kürzen*, sondern die Art und Weise der Gesamtheit der Aussage, das Adverbiale, das ausgedrückt wird, also:
Der Fehler lag anscheinend/offenbar im falschen Kürzen.

Das Adverb anscheinend ist offenbar kein Partizip. Denn das transitive Verb 'anscheinen' hat die Bedeutung, dass etwas Beleuchtetes etwas Unbeleuchtetes anleuchtet, anscheint: Die Sonne scheint den Mond an: Daraus das Partizip Präsens in attributiver Verwendung: Die den Mond anscheinende Sonne. Dies ergibt keinen Bezug zu dem Adverb anscheinend. Vielmehr scheint es sich aus dem übertragen zu verstehenden den Anschein haben/ sich geben abzuleiten.

Gunhild Simon

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