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Ambitransitivität – die “Ambivalenz” mancher Verben

Die meisten Verben sind entweder transitiv – jemanen schätzen, etwas veranstalten – oder intransitiv – schlafen, reden.

Lateinisch transire heißt hinübergehen Daher bedeutet transitiv, dass ein Verb ins persönliche Passiv übergehen, übertragbar sein kann. Diese Übertragung vollzieht sich durch eine Verkehrung des Akkusativobjekts zum Subjekt.

Beispiele:
Ich schreibe einen Brief. – Der Brief wird von mir geschrieben.
Der Wolf verfolgt das Reh. – Das Reh wird vom Wolf verfolgt.

Kann ein Verb kein Akkusativobjekt führen, nennt man es intransitiv, unübertragbar. Es muss, wenn es einen anderen Fall regiert, ein unpersönliches Passiv bilden. Diese Konstruktionen klingen oft unidiomatisch, sind bestenfalls bei wörtlichen Übersetzungen angebracht:

Der Wolf folgt der Spur. – Der Spur wird (vom Wolf) gefolgt. Der Arzt hift dem Patienten – Dem Patienten wird (vom Arzt) geholfen.
Verben, die nur ohne Objekt stehen, bilden kein Passiv:
Die Katze schnurrt. – Der Hund bellt. -Der Löwe ruht. –

Einige Verben sind sowohl transitiv als auch intransitiv. Das drückt der Terminus labile Verben aus. Labil bedeutet “leicht gleitend, schwankend”. Diese Bedeutungsschwankung illustriert auch der Begriff ambitransitiv, Ambitransitivität. Griechisch ambi- bedeutet nach zwei Seiten hin. Sie haben also eine “Ambivalenz”, eine Zwiespältigkeit oder Doppelwertigkeit, eine Doppelbedeutung.

Am schärfsten sichtbar wird diese Doppelbedeutung bei Verben, die sowohl in der Funktion eines Vorgangsverbs existieren und einen Prozess, einen Vorgang des Bewirkens, beschreiben, wie auch in der Bedeutung eines Zustandsverbs auftreten, indem sie das dadurch erzielte Ergebnis, den Zustand, ausdrücken.

Ein klassisches Beispiel ist hängen. Der Infinitiv lautet bei beiden Verbenhängen. Er hat sowohl eine transitive Bedeutung – jemand hängt etwas (auf, an, über) – als auch eine intransitive – etwas hängt.

Diese beiden Bedeutungen werden grammatisch mit unterschiedlichen Stammformen verwendet. So wird etwas hängen schwach gebeugt hängen, hängte, gehängt Dagegen wird das intransitive hängen stark flektiert – hängen, hing, gehangen. [1]

Die Regel ist jedoch, daß ambitransitive Verben in ihren Stammformen keine formalen Veränderungen erkennen lassen. Das heißt fachsprachlich Ambitransitivalternation. Alternation bedeutet “Wechsel zwischen zwei Möglichkeiten”, in der Sprachwissenschaft also explizit das Auftreten von Alternativen. Bei ambitransitiven Verben tritt folglich eine Doppelbedeutung in Form zweier Alternativen auf.

Ambitransitive Verben sind oft eng mit kausativen Verben verflochten. Dies äußert sich darin, dass das transitive Verb des Paares einen Verursachungscharakter hat, während das andere, gleichlautende Verb eine daraus erwachsende Situation beschreibt. [2]

Hier folgen einige Satzbeispiele, die diese Doppelfunktion verdeutlichen:

- Der Wind treibt das Schiff. Der Sturm treibt die Wolken (fort, voran). – Das Schiff treibt (auf dem Wasser). Die Wolken treiben (am Himmel, im Sturm).
- Der Herr bricht das Brot. Der König bricht den Bund. – Das Holz bricht. Das Bündnis bricht.
- Das Pferd zieht den Wagen. Ich ziehe Konsequenzen – Die Wolken ziehen. Das Heer zieht.
- Der Arzt heilt die Krankheit. – Die Wunde heilt

Weitere Beispiele ambitransitiver Verben sind:

beginnen, rollen, läuten, fahren, kochen, schmelzen, backen, kleben, gären, kochen, trocknen, braten, messen, wiegen, (ein-, er-)weichen, baden

Diese alle sind also sowohl intransitiv – die Rede beginnt, der Ball rollt - als auch transitiv – ich beginne die Rede, ich rolle den Ball – gebräuchlich und anwendbar.

[1] Vgl. http://www.blog1.institut1.de/semantische-kausativa-ursache-und-wirkung/

[2] Verben, die einen Zustand begründen oder verursachen, heißen kausative Verben oder Kausativa. Denn das Adjektiv kausativ enthält das lateinische Wort causa, Grund, Ursache. Verben, die den daraus entstehenden Zustand beschreiben, also den Gegenpart bilden, werden auch “Antikausativa” genannt.

Gunhild Simon
Aug 31 2012

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