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Anglizismen – eine Bereicherung oder eine Verkürzung der deutschen Sprache?

Was verändert sich mit der Sprache, wenn man älter wird? Da werden die alten Wörter wertvoll. Die neuen scheinen platt und fremd. Während man selbst – in den Augen der Jüngeren gespiegelt – als unbeholfen und altbacken, ja geschwollen und gestelzt verstanden wird, empfindet man den erworbenen und gehüteten Sprachschatz als Hort, als Vermächtnis, einen Wert, den es zu bewahren gilt. Diese Haltung erwächst aus Bildung und erfordert – Standing!

Es gibt auch andere Stimmen: solche, die sich glücklich schätzen, Überkommenes über Bord zu werfen und eine moderne, eine globale Sprache zu vertreten.

Anglizismus oder Denglisch?

Anglizismen sind aus unserer Sprache nicht mehr wegzudenken. Waren sie vorgestern up-to-date, gestern in, so sind sie heute hip. Aber sie sind mehr: Durch die Verwobenheit der Kommunikation durch das Internet und das Zusammenrücken von Wirtschaft, Politik, Kommunikation und Kultur erlebt die Sprache eine Veränderung. Man spricht, um sich zugehörig zu zeigen, in einem Cross-over aus Deutsch und Englisch. Dieses Englisch ist, und das liegt an der Maßgeblichkeit, eher ein amerikanisches Englisch. Daher erscheint der Begriff Anglizismus irreführend.

Anglizismen sind aus dem anglo-amerikanischen Sprachraum übernommene Begriffe. Das Spektrum reicht hier vom spezifischen Fachbegriff bis zum Freizeitcode. Denglisch dagegen ist ein mit englischen Wörtern durchsetztes Deutsch, ein Verschnitt aus Englisch und Deutsch, das leicht unverständlich und verkürzt erscheinen kann.*

Anglizismus oder Fremdwort?

Mit den Anglizismen verhält es sich nicht anders als mit anderen Fremdwörtern: Sie können in ihrer Funktion zu einer Bedeutungsverengung, zu einer Präzisierung und Differenzierung, beitragen, oder sie können hohl klingen, verflachen und nivellieren. Mit dem beliebten Fremdwort interessant drückt man sich eher allgemein, schwammig und allgemein aus. Man müsste sich also Gedanken über den Gegenstand machen, um dieses Wort durch ein differenziertes, treffendes und situationsangemessenes zu ersetzen:

  • kurzweilig, spannend, fesselnd, mitreißend, erstaunlich, vorzüglich,
  • erhellend, belehrend, lehrreich, wissenswert, aufschlussreich,
  • erklärend, bemerkenswert, sehenswert, anregend, erheiternd,
  • köstlich, merkwürdig, komisch, ungewöhnlich.

Fachsprache oder Jargon?

Aus dem Zusammenhang ergibt sich das entscheidende Kriterium für die Beurteilung, ob Ersetzung oder Verdrängung deutscher Wörter zu beklagen sind, oder ob es sich um eine andere Erscheinung handelt. Denn zwei Bereiche sind zu unterscheiden: Fachsprache und Jargon.

Die Fachsprache bedient sich spezifischer, genau definierter Fachwörter, die einem Austausch unter Wissenden zu schnelleren Kommunikationswegen verhilft. Der Jargon ist ein Mittel, um Signale zu setzen. Diese sollen Zugehörigkeit oder Ausschluss signalisieren. Man will nicht vermitteln und verstanden werden, sondern operiert auf der Ebene des »Stallgeruchs«.

Anglizismen, die überwiegend aus der Werbesprache zum Verwischen, zum Prahlen, zum Irritieren, zum Täuschen, zum Beeindrucken, zum Herausstellen, zum Wichtigtun oder zum Verdecken genutzt werden, höhlen die Sprache aus. Sie verdrängen deutsche Wörter, deren Passung kaum überprüft wird, während die importierten kritiklos übernommen werden.

Verzicht auf die Qualität deutscher Wörter?

Nun kommen durch weltweite Verflechtung von Technologie, Kultur und Wirtschaft ständig neu zu definierende Wissensbereiche hinzu. Hier kann die sprachliche Begriffsbildung, ohne altbacken zu wirken, nur mithalten, wenn sie den internationalen Standards entspricht.

Die natürliche Resource der deutschen Sprache ist das vertraute Vokabular. Die Stärke deutscher Wörter ist ihre selbsterklärende Bildhaftigkeit. Daneben spielen Grammatik und Rechtschreibung eine Rolle, die gerade beim Beugen eines importierten Wortes zu Verbiegungen führt. So verstoßen etwa upgraden oder downloaden gegen die deutsche Laut-Buchstabenzuordnung – das erweist sich bei der Bildung der Personalformen:

  • ich grade up/loade down,
  • ich upgrade/downloade,
  • ich habe upgegradet/downgeloadet,
  • ich habe geupgradet/gedownloadet?

Ob auf den neuesten Stand bringen, aktualisieren oder einpflegen – ob herunterladen, auf die Festplatte laden oder speichern, oder ein Upgrade oder Download vornehmen, das ist Geschmacks- und Präzisierungssache, grammatisch und orthografisch jedoch einsichtiger und schlüssiger zu handhaben.

Der Kompromiss

Kommunikation, also Verständigung mit dem Motiv zu vermitteln und verstanden zu werden, holt den Adressaten ab. Sie nimmt das Wissensniveau des Adressaten als Grundlage.

Sprachen überlappen und beeinflussen sich. Das bringt der wirtschaftliche, kulturelle und politische Austausch mit sich. Die Etymologie zeigt eindrucksvoll die Verschmelzungen dieser Bereiche, die zu Lehnwörtern z. B. predigen (praedicare), Fenster (fenestra) oder Dach (tectum), Pflanze (planta), Pflaster (plastrum) und orthografisch adaptierten Fremdwörtern wie Bombe, Auto, Bus, Melodie, Bibliothek führten.

Ob Fremdwörter klassischer Herkunft, ob Übernahmen aus anderen Sprachräumen, man muss sich der Überlegung stellen, ob es sich um die Sprache verarmende oder sie bereichernde Begriffe handelt. Die meisten alltäglichen Begriffe wie etwa Song, TV, Airline, Flyer, Pool, Sneakers, Bike etc. sind nicht unverzichtbar, sie haben jedoch eine differenzierende Bedeutung gegenüber ihren deutschen Pendants angenommen. Gerade deshalb muss man sich fragen, ob man diese Differenzierung ausdrücken will.

Das türkisch-arabische Wort Kiosk, das englische flirten, das amerikanische Jeans, das ungarische Gulasch sind als Spezifikation oder in ihrer Bildhaftigkeit eine Bereicherung unserer Sprache. Zurückhaltung sollte man in besonderem Maße bei den Anglizismen üben, die gleichsam überschwemmend leicht mehrere deutsche Wörter verdrängen. Denn sie verführen durch ihre simple Eingängigkeit und ihren modischen Jargoncharakter zu unkritischer Übernahme, während sie den eigenen Wortschatz ärmer machen.

Gunhild Simon
17. August 2007

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