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Anna Seghers: Der Aufstand der Fischer von St. Barbara

Anna Seghers steht für die Identifikation mit den Verfolgten und Geknechteten. Das zeigen ihre berühmten Romane, die schon lange als Schullektüre gelten, um junge Menschen unmittelbar an soziale und politische Probleme heranzuführen.

Das siebente Kreuz über die schier aussichtslose Flucht aus einem deutschen Konzentrationslager oder Transit über die gefahrvolle Flucht quer durch Europa aus der deutschen Nazidiktatur sind die Prototypen für Political Correctness.

Die Erzählung Aufstand der Fischer von St. Barbara reiht sich ein in dieses aufklärerische Genre, das die Qual der Unterdrückten thematisiert. Die Fischer des Dorfes St. Barbara haben zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig. Abhängig von der ausbeuterischen Gier der Reeder, die ihnen die Bedingungen diktieren, ertränken sie ihre existentiellen Sorgen im Alkohol.

Zum Aufstand von der Not getrieben

Ihre ausgemergelten Frauen wissen nicht, wie sie mit den knappen Rationen die Familien ernähren sollen, und ihre Kinder vegetieren hässlich, schwächlich und kränklich dahin.

Von Not getrieben kommt es zum Aufstand gegen die Reeder, deren Macht durch die Gewalt des Militärs gestützt wird. Gegen die bewaffneten Soldaten sind die Männer machtlos.

Zwei junge Menschen begegnen sich, beide einsam, beide gezeichnet und desillusioniert von den unwirtlichen und lebensfeindlichen Bedingungen. Ein Fischerbursche und eine Schifferhure, die sich in den widrigen Umständen behaupten müssen. In ihrer Begegnung drückt sich die vage Idee aus, dass Leben mehr sein könnte als nacktes Überleben. Doch der Junge kommt in den Wirren des Widerstands um, das Mädchen wird an ihr trostloses Geschäft gebunden bleiben.

Es gibt im Buch nicht den tröstlichen Ausblick, den die Verfilmung des Stoffes versucht hat hinzuzudichten.

Die Lesung ist vollständig und originalgetreu. Der Text ist in der schmucklosen, expressionistischen Sprache, der die Autorin verpflichtet ist, verfasst. Die Sprache, die Dialoge, die Bilder ließen bei mir Assoziationen zu Kohlezeichnungen und Holzschnitten aufkommen, von den Unbilden des harten Lebens gezeichnete, einfache Gesichter, unter das Lebensjoch gebeugte Gestalten, wie sie aus den Bildern Käthe Kollwitz’, Paula Modersons oder schicksalhaften Gedichten wie denen von Agnes Miegel sprechen.

Ulrike Krumbiegel liest den Text. Sie war auch schon bei der Verfilmung dabei, der Text ist ihr vertraut. Eine angenehme Stimme, der man gern zuhört. Nur die Dialoge hätte ich mir unverfälschter und neutraler gewünscht. Aus den Stimmen spricht für meinen Geschmack zuviel schauspielerisches Engagement, das die Menschen in einer bereits von der Autorin gewollt einfachen, rauen Sprache - zwar gut gemeint - nachempfindet, aber zu eindimensional erscheinen lässt.

Gunhild Simon
Nov 05 2009

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