Thumulla.com

Antizipation

Antizipation ist ein vielfältiger Begriff. Er wird in vielen Bereichen verwendet.

Antizipation ist im Deutschen ein Fremdwort, das es erst in jüngerer Zeit zu einer Geläufigkeit gebracht hat. Im Französischen und Englischen deckt anticipation schon ab, was wir uns in dem jeweiligen Kontext erläuternd vor Augen führen müssen.

Antizipation, lateinisch anticipatio, onis, f. ist wie alle Fremdwörter auf -ion, dem lateinischem Genus folgend, feminin. In dem Wort steckt das Pronomen ante, vor, das in manchen Zusammenhängen zu anti- wird. Darin verbirgt sich ein naheliegendes Missverständnis, weil anti- üblichweise auch in den Originalwörtern eine Gegenhaltung ausdrückt - etwa in Schöpfungen wie Anti-Terror, aber auch Antithese, Antifaschismus oder in Medikamentenbezeichnungen, die ein Gegenmittel beschreiben. anti heißt im Griechischen gegen, ante heißt im Lateinischen vor. Daraus ergibt sich auch manche Überschneidung, die sich daraus erklärt.

Der zweite Wortteil von Anti-zipation leitet sich aus capere, nehmen, ab. Daraus entsteht -zipation. Somit heißt anticipatio Vorwegnahme, Vorbegriff, ursprüngliche, “angeborene” Vorstellung. Dazu gehört das Verb anticipare, vorwegnehmen, zuvorkommen, ín bestimmten Zusammenhängen “sich im Voraus sorgen”. Im Deutschen ergibt sich daraus antizipieren, gedanklich vorwegnehmen, vorwegnehmend sich vorstellen. Ebenso leiten sich daraus die beiden Adjektive antizipativ, vorwegnehmend, und antizipatorisch, bewusst vorwegnehmend her, daneben das dem Gerundium anticipando entlehnte antizipando, durch Vorwegnahme.

Antizipation kann also bedeuten: der Vorbegriff, die Vorwegnahme, Vorausnahme, das Ahnungsvermögen, Zuvorkommen, Vorgreifen, das Vorgefühl, der Vorgeschmack, die Vorempfindung, der Vorgenuß, die Voraussicht, Erwartung, Verfrühtheit.

Antizipation ist der Gegenbegriff zu Gedächtnis und Erinnerung. Gleichwohl speist sich der philosophische Begriff Antizipation aus aller Erfahrung, die gerade, weil sie gemacht wurde, nicht gemacht werden muss, sondern Aussagen über Bevorstehendes trifft. Diese Aussagen sind die Vorwegnahme von etwas, das erst später kommt oder kommen sollte, von zukünftigem Geschehen. Es ist die Bildung eines Begriffs oder einer Vorstellung vor der Erfahrung.

Damit eng verknüpft ist das Apriori. Der Begriff des Apriori, von lateinisch a priori, von vornherein, im Vorgriff, bedeutet Vernunftsatz. Er ist ein Begriff aus der Erkenntnistheorie, der besagt, dass man ohne die unmittelbare Erfahrung oder Wahrnehmung logische Schlüsse auf das Bevorstehende zieht.

Daneben ist Antizipation auch ein Begriff in der Musik. Es ist die Vorwegnahme von Tönen des folgenden Akkords. In der Biologie ist sie ein in seinem Inhalt der Akzeleration, Entwicklungsbeschleunigung, verwandter Begriff, der besagt, dass eine Entwicklungsstufe bei einer jüngeren Generation eher erreicht wird im Vergleich zu der älteren. In der Ökonomie ist er angesiedelt als der Vorgriff des Staates auf erst später fällig werdende Einnahmen. Außerdem heißt er Vorauszahlung, Vorabzahlung, von Zinsen.

Die Frage, ob Antizipation eine positive oder negative Färbung hat, ist also kaum zu beantworten. Es kann je nach Kontext beides ausdrücken, positive Gestimmtheit, Vorfreude, freudige Erwartung und Gespanntheit sowie eine Art gedämpfter, auch dunkler oder düsterer Vorahnung, manchmal in der Literatur sogar als “Vorfurcht” als dem Gegenteil von Vorfreude oder als Erwartungsangst ausgedrückt.

Je nach Zusammenhang ist es sinnvoll, durch eine zusätzliche Umschreibung mit passenden Adjektiven oder erläuternden Nebensätzen den Aussagen die gewünschte Farbe zu geben.

Gunhild Simon
3.08.2008

alle    deutsche Sprache    Gunhild Simon    Startseite(__index)



Thumulla.com    Startseite der Artikel    Links und Werbung    Diskussion    Suche auf dieser Seite