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Außenalster - verschwiegene Orte inmitten des Alstergetriebes

Mein tägliches Schwimmtraining ist ausgesetzt, um einer Wundheilung nicht entgegenzuwirken. Deshalb habe ich meine Blickrichtung nach Süden geändert.

Ich spaziere zur Alster. Flaniere den Eppendorfer Baum hinauf, umrunde den Klosterstern zur Hälfte, schaue bei der stillen Nikolaikirche vorbei und verfolge den Harvestehuder Weg, bis ich das Wasser sehe. Ich durchquere den Eichenpark und steige hinauf zur Krugkoppelbrücke.

Auf der gegenüberliegenden Seite beginnt der Leinpfad. Das ist der ehemalige Treidelpfad, der die Kähne auf dem Alsterlauf zu ziehen erlaubte. Der Leinpfad ist lang. Er endet in Winterhude, am Fährhaus. Der Leinpfad ist auch sehr fein. Er hat nur eine bebaute Seite, sonst wäre er ja kein Leinpfad. Alle Häuserfassaden schauen zur Alster hinaus. Da, wo er beginnt, ist die Alster ein letztes Mal teichartig erweitert. Das gegenüberliegende Ufer ist seicht - zur Freude der Wasservögel, Hunde und Kleinkinder mit Trockenbrot.

Am diesseitigen Ufer jedoch ist die Böschung unterhalb der eisernen Gitter steil. Nur ein schmaler Trampelpfad für Angler, Liebespaare und abenteuerlustige Kinder führt am Wasser entlang. Hier und da findet sich eine ausgetretene Rinne, die von Auf- und Abstieg zeugt. Aber es gibt auch einen ganz legalen Weg zum Wasser. Dazu muss man ein Holztreppchen ausfindig machen, das von einer ausgewaschenen Spur begleitet wird. Hier werden also die Kanus hinuntergeschleift und dann an der Uferbefestigung zu Wasser gelassen. Kommt man jedoch an diesem verschwiegenen Ort an, wähnt man sich, alleiniger Entdecker zu sein: dichtes Buschwerk, ein kleines Rasenstück zum Wasser hin, kein Müll, kein Nachbar. Nur Boote, die vorüberziehen. Paddler, Tretboote, Kanus und dann und wann veritable Ruderachter mit alten Herren und einem aufmerksam weisenden Steuermann, der als einziger in Fahrtrichtung sitzt und das Geschehen ringsum überblickt. Er kann zwar seine Muskeln nicht spielen lassen, aber er trägt die Verantwortung, wenn sich das ausladende Gefährt gar mit angelegten Flossen unter Brücken hindurchbewegt, kreuzenden Seglern begegnet oder den Alsterdampfern, die ihre fahrplanmäßigen Bahnen ziehen. Hier kann man einschlafen und die Zeit vergessen, denn die Abendsonne trifft einen selbst noch mit ihren letzten Strahlen.

Aber dann wird es munter ringsumher. Es duftet herb nach Narzissen und Buchsbaum - ein Joint! Junge Männer schleppen einen Grill und Getränke herbei, eine Wasserpfeife, Decken und allerlei Zubehör. Höflich werden einige Worte gewechselt, nein, man wolle mich keineswegs vertreiben.

Aber nun wird es Zeit zu gehn.

Wachwechsel bei den Wasserhühnern, die noch immer mit Entschlossenheit und Verve tauchen. Es geschieht wohl auf gut Glück, denn erkennen kann man trotz der beginnenden Badetauglichkeit der Alster gar nichts. An der Stelle ihres Verschwindens sieht man kleine Luftblasen aufsteigen. Wieder an der Oberfläche ist sogleich schon das letzte Wassertröpfchen von ihrem schwarzglänzenden Gefieder abgeperlt.

Ich meine mich zu erinnern, dass man am Tauchverhalten der Wasservögel die Tiefe des Wassers ablesen, umgekehrt den Lebensraum der Wasservögel nach ihrer Ufernähe bestimmen kann. Gründelnde - “Köpfchen in das Wasser, Schwänzchen in Höh” - zeugen von flacheren Gewässern und dem Leben im Pflanzengürtel. Die bis zum Grund tauchenden deuten auf tiefere Seeregionen hin.

Gunhild Simon
15.05.2008

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