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Betonung – Hinweis auf die Schreibung

Ob ein Wort als Kompositum, also als Einheit, zu verstehen ist oder als Wortgruppe, die ihrem Sinn nach eng zueinander gehörige Wörter verklammert, entscheidet sich überwiegend an der Betonung.

Man kann der klassischen Rechtschreibung irrigerweise zuviel tun, indem man Zusammenschreibungen erfindet, die den Betonungsregeln im Deutschen zuwiderlaufen. Solche Wortgebilde, als Kompositum aufgefasst, sehen nicht nur unübersichtlich, sondern auch irreführend und unverständlich aus.

Die Betonung gibt den entscheidenden Hinweis, ob getrennt oder zusammengeschrieben wird. Zusammensetzungen – Komposita – erkennt man an ihrer Betonung. Üblicherweise wird der erste Bestandteil des Kompositums betont, Bahnhofsplatz, Bahnhofsvorplatz, Güterbahnhofsvorplatz – Hafengebäude, Flughafengebäude, Militärflughafengebäude – Abflughalle, Abflugschalterhalle, Charterabflugschalterhalle.

Präpositionen, Substantive und ähnliche für sich selbständige Wörter werden als Teil eines Kompositums in Anfangstellung betont. Vorsilben dagegen, die kein eigentliches Wort sind, bleiben unbetont. Wortgruppen werden nach dem ihnen innewohnenden Sinn betont. Daher ist beispielsweise in der Tat als Wortgruppe, und nicht als Kompositum aufzufassen.

Beispiele:

er’kennen, ver’kennen, be’kennen vs. sich ‘auskennen, ‘anerkennen; ‘vorlegen vs. ver’legen; ‘Sachkenntnis vs. Be’kenntnis; ‘Vorlage vs. Ver’lag; ‘Überordnung vs. Ver’ordnung; ‘Angabe vs. Vergabe; ‘Ansagung vs. Ent’sagung, ‘übergeben, ‘ausgeben vs, er’geben, sich be’geben, ver’geben. [1]

Ein besonders schillerndes Wort ist zu, weil es unterschiedliche Funktionen und Bedeutungen hat.

- Es ist Präposition mit einem lokalen oder modalen Charakter, z. B. zu Diensten, zu Willen (sein), zu Recht (annehmen, geschehen etc.) [2], zu Fuß (gehen), zu Herzen (nehmen) hoch zu Rosse, zu Bett, zu Tisch (sein). In diesen Fällen ist sie unbetont, weil das sinntragende Substantiv betont wird.

- Unbetont ist es auch in Adverbien wie zusammen, zurecht, zuwider, zumindest, zuliebe, zuleide, zuteil, zupass.

- Eine weitere Bedeutung ergibt sich aus dem verkürzten Inhalt, dessen eigentliche Bedeutung dazu/hinzu ist. Dann wird es betont, z. B. zuteilen, zuschanzen, zugeben (dazutun, einräumen), zumachen (ugs für sich beeilen).

- Es ist zur Bildung von Infinitiverweiterungen nötig, z. B. du brauchst nicht zu kommen.

- Daneben dient es dazu, eine Überschreitung auszudrücken, z. B. zu spät, zu viel.

- Außerdem hat zu als Präposition die Bedeutung von verschlossen, z. B. zuschließen, zumachen (verschließen), zusperren, zudecken, Zudecke.

Aus diesen Unterschieden resultieren unterschiedliche Betonungen in den Zusammensetzungen.

‘Zugewinn, ‘Zugabe, ‘Zubrot mit der Bedeutung dazu. ‘Zufall bedeutet, was das Schicksal einem zufallen lässt. Dagegen zu ‘Fall bringen heißt dazu zu bringen zu fallen. Ähnlich verhält es sich mit den folgenden: zu ge’winnen, ‘zugewinnen, ‘zugeben – dazugewinnen, dazugeben.

Die Umstandsbestimmungen zu Hause und nach Hause kann man als Fügung oder als Adverb zuhause und nachhause schreiben. Zwar sind sie anderen Fügungen vergleichbar: zu Lande und zu Wasser, zu Bett, zu Tisch, zu Boden, zu Stuhle (gehen), die getrennt geschrieben und wörtlich verstanden werden. Nach Hause und zu Hause sind idiomatisch und im Hinblick auf ihre Präpositionen verblasst. Denn auf andere Häuser bezogen sind die Präpositionen nach und zu ungebräuchlich. Man verwendet gehen nach artikellos nur mit definierten Ortsnamen, z. B. nach Altona, nach Amerika, jedoch nicht mehr bei Ortsangaben.*Nach Lichtspielhaus ist ungrammatisch , “nach dem Eierhäuschen”, wie man noch bei Fontane liest wird als veraltet empfunden. Das gilt ebtsprechend für *zu Lichtspielhaus oder *zu Gotteshaus. Man geht ins Kino, zur/ in die Kirche, zur Familie. Man ist im Kino, in der Kirche, bei der Familie.

Es ist ein Unterschied, ob man bei ‘Tisch ist oder einen ‘Beistelltisch verwendet, ob man nach ‘Tisch plaudert oder ‘Nachtisch isst. Analog zu zuhause oder nachhause wirken beitische, zutische oder nachtische abwegig.

Da neuerlich empfohlene Zusammenschreibungen mit zu und mit nicht das erste Glied als sinntragend betonen, wird die Zusammenschreibung ad absurdum geführt: ‘zurzeit, ‘mithilfe [3]. Eine der Schreibung naheliegende Betonung auf dem ersten Kompositumsglied ist deshalb unsinnig, weil der inhaltliche Akzent auf dem zweiten Teil liegt. Vorbild für die Schreibung zurzeit war offenbar ‘derzeit. Bei diesem Kompositum ist ein Demonstrativpronomen das Erstglied und deshalb naturgemäß betont.

‘Mithilfe, ‘Nachhilfe, ‘Aushilfe, ‘Beihilfe sind Betonungsbeispiele, die zeigen, dass bei einem Kompositum, dessen Erstglied – mit, nach, aus – ist, diese Präposition betont wird.

Dagegen kann das Erstglied zu- eines Kompositums höchst unterschiedliche inhaltliche Aussagen machen: Den Adverbien zuhause, zuteil, zuhanden, zunutze stehen die Fügungen zu Hause, zu Teilen, zu Händen von, zu Nutz und Frommen gegenüber. Wird das verblasste Substantiv gebeugt oder mit einem Artikel oder Attribut versehen, erlangt es wieder seine konkrete Gestalt.

[1] Ausnahmen in der Betonung haben etwas mit der Trennbarkeit der zugrundeliegenden Verben zu tun. Das betrifft die Präpositionen um, durch, unter, über.

[2] blog.institut1 – Zu Recht oder zurecht?

[3] Ein vernünftiges Kriterium für eine Unterscheidung zwischen mithilfe oder mit Hilfe ist die Konkretisierung. Kommt etwas unter Zuhilfenahme eines Gegenstands zustande, ist mithilfe denkbar. Ist es jedoch eine Person, mit deren Hilfe etwas gerät, ist mit Hilfe angemessen.

Gunhild Simon
Jan 13 2011

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