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Das Elbufer am Falkenstein

Ein strahlender Februartag. Während auf den Straßen der Stadt der nächtliche Neuschnee schon unansehnlich wird, verspricht ein Elbspaziergang noch Reinheit, Klarheit und einen unverstellten Blick auf den Himmel in seiner kostbaren Winterbläue.

Es zieht mich zum Falkensteiner Ufer.

So kühn wie der Name des Höhenwegs sind die Zerklüftungen des Steilufers diesseits der Elbe, die auf frühere Schmelzwasserbäche hindeuten. Das Steilufer ist die Abbruchkante des Geestrückens der nördlichen Unterelbe. Darauf führt die Elbchaussee nach Blankenese, malerisch angeordnet und nach Süden terrassiert zum Fluss abfallend, Blankenese, die “nasse Landzunge”.

An jeder Wegbiegung bietet sich jetzt zwischen winterkahlen Buchenzweigen und aufgeschirmten Kiefernkronen, die mit dicken Wattepolstern aus frischgefallenem Schnee bedeckt sind, ein neuer, überwältigender Ausblick auf den Elbstrom.

Hier ist er schon so breit, dass das gegenüberliegende Ufer, das deichbewehrte Alte Land - Finkenwerder, Cranz und Jork - im Dunst verschwimmt. Die Wasserfläche ist durchbrochen von lang sich hinziehenden Elbinseln.

Unterschiedliche Strömungen und Wassertiefen mögen die uneinheitliche Struktur der Wasseroberfläche hervorrufen, die mal glatt und glänzend, mal fein gekräuselt, mal mit Wellenkämmen gekrönt erscheint und die kaum zur Nordsee zu streben scheint. Man glaubt, auf eine Meeresbucht zu blicken. Erst die unvermutete Winzigkeit der vorüberziehenden Schiffe lässt die Höhe der bewaldeten Abbruchkante spürbar werden.

Die Elbinseln vor Hamburg, über die die Grenzen der drei Bundesländer Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen verlaufen, trennen den Strom in zwei Flussarme, den befahrbaren mit der tiefen Fahrrinne, die selbst für Ozeanriesen die Elbe bis Hamburg, weit im Binnenland gelegen, schiffbar macht. Dahinter liegt das stille Gewässer der Süder-Elbe, ein versandender Flusslauf. Die Kette der schmalen Elbinseln beherbergt Naturschutzgebiete, unberührte Orte, wo die Zeit stillzustehen scheint.

Eine der Elbinseln ist Hahnöfer Sand und beherbergt eine Jugendstafanstalt. Diese Insel ist Schauplatz der Rahmenerzählung von Siegfried Lenz’ Roman “Deutschstunde”. [1]

Vor langer Zeit bin ich einmal nach Schweinesand hinübergefahren an Bord einer Jolle. Ein Strand ohne unmittelbare menschliche Spuren. Nur Vögel, vielleicht auch Kaninchen und Bisamratten. Wildwuchs von niedrigen Weiden und Gräsern, der sich auf Schwemmsand anzusiedeln und wechselnden Wasserständen zu trotzen vermag. Eine eigene Welt, nur einige hundert Meter entfernt vom zuzeiten bewegten und belebten Getriebe des nahegelegenen Flussufers. Das ist ein breiter Sandstrand, auf dem am Karsamstag riesige Osterfeuer lodern, an lauschigen Sommerabenden die Grillfeuer glühen, umgeben von buntgemischten Familien und Partygästen, während bei Sonnenschein Karawanen von Spaziergängern mit Kindern und Hunden vorüberziehen.

Steigt man nach kurvigem Auf und Ab schließlich die Treppen zum Strand hinab, so präsentiert sich der Fluss aus einer anderen Sicht. Die Gezeiten prägen Wasserfläche und Strand. Am Ufer markiert eine bogenförmige Linie aus rundgeschliffenen Kieseln, porösen Eisbrocken und bleichem Treibholz, wie weit das Wasser wieder auflaufen wird, bis es zu seinem Scheitelpunkt gelangt. Das ist die gleiche Situation wie die der Tide am Nordseestrand, wenn die Flut weite Teile des Strandes wiedergewinnt. Hier hat es seinen niedrigsten Stand überwunden. Noch sind die Wellen schwerfällig von der Last des Schlicks und trotz der Klarkeit des Winterhimmels von bleiernem Grau. Das Wasser strömt verwirrend stetig und träge gegen den natürlichen Lauf, weil das heranflutende Meerwasser es in die Flussmündung zurückdrängt.

Gunhild Simon
14.02.2009

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