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Das grammatische Geschlecht grammatischer Termini

Die ZEIT schreibt in ihrem Dossier über Deutschkurse für Einwanderer wiederholt *”der Plusquamperfekt” entgegen dem korrekten Genus “das Plusquamperfekt”. Auch mit Präsens tun sich viele schwer. Gänzliche Verwirrung stiften Passiv und Aktiv, die im Gegensatz zu Konjunktiv, Indikativ und Imperativ Neutra sind. Wie kommt dieser Fehler zustande?

Das Plusquamperfekt ist die vorzeitige Vergangenheit. Zugrunde liegt hier “das Tempus”. Das Tempus, die grammatische Zeit, gibt daher auch das Genus, das grammatische Geschlecht grammatischer Termini zur Bestimmung der Zeit, vor. Genau genommen liegt dem Terminus lateinisch tempus plusquamperfectum, die “mehr als vollendete Zeit”, die vorzeitige Vergangenheit zugrunde.

Die Fachbegriffe, die wir als korrekte lateinische Termini im Lateinunterricht gebrauchen, sind eigentlich Abkürzungen, Attribute der Oberbegriffe: das tempus praesens, das tempus futurum, tempus perfectum, tempus praeteritum/tempus imperfectum.

Ist von den Modi die Rede, ist zu beachten, dass modus, die Art und Weise, maskulin ist. Zu den Modi rechnet man Indikativ, Konjunktiv und Imperativ.

Der Indikativ, auf Deutsch die Wirklichkeitsform, heißt modus indicativus, also der Anzeigemodus. Der Konjunktiv, modus coniunctivus, der satzverbindende Modus, hergeleitet aus coniungere – verbinden. Er heißt auf Deutsch die Möglichkeitsform. Schließlich der Imperativ, modus imperativus, zu Deutsch Befehlsform, Aufforderung. Lateinische Grammatiken schreiben folgerichtig von dem Perfektum, dem Präsens, dem Präteritum, dem Futurum und gleichen dabei die Rechtschreibung der deutschen an.

Logischerweise ist die Vergabe des grammatischen Geschlechts im Deutschen genauso. Im Deutschen heißt das Tempus die (grammatische) Zeit. Die Zeit ist im Deutschen feminin. Deshalb sind auch ihre spezifischen deutschen Fachbegriffe feminin: die Gegenwart, die Vergangenheit, die Zukunft. Dagegen ist tempus ein Neutrum, ebenso wie genus. Daher bilden beide auch die entsprechenden lateinischen Plurale tempora und genera. In der Grammatik ist der Plural der grammatischen Zeit zu beachten. Er unterscheidet sich von der Taktbewegung in der Musik, der das italienische Wort tempo, m, das Tempo, Plural die Tempi, zugrundeliegt.

So ist es auch bei dem Genus, dem grammatischen Geschlecht, Maskulinum, Femininum und Neutrum. Die beiden Handlungsrichtungen teilen sich in das Genus verbi, “Geschlecht” des Verbs, das Passiv und das Aktiv.

Dagegen ist die grammatische Anzahl, der Numerus, also der Singular, der Plural maskulin. Ebenso der Modus – der Indikativ, der Konjunktiv, der französische Subjonctif – trotz des gleich erscheinenden deutschen Suffixes -tiv seiner Unterbegriffe – maskulin. [1]

Offenbar hat die Abschaffung der korrekten lateinischen Fachbegriffe Unsicherheit gestiftet. Denn diese hatten eine Endung, die ihr Geschlecht zweifelsfrei erkennen ließen. Aus articulus wurde der Artikel, aus particula, “das Teilchen” die Partikel. Auch die unterschiedlichen Silbenanhängsel, “Anheftungen”, affixa, die Affixe, also das Präfix aus praefixum, desgleichen das Suffix und das Zircumfix haben ein ursprünglich leicht erkennbares neutrales Genus.

Diese Schwierigkeit macht sich auch bemerkbar bei allen Termini, die scheinbar auf derselben Nachsilbe -tiv enden. Dabei ist diese nur eine Verkürzung der Adjektivendung -tivus, -a, -um, die etwa der deutschen -haft, -ig oder -lich entspricht.

So wird deutlich, dass ein Adjektiv als verbum adiectivum, ein “angeheftetes Wort” – syntaktisch also als ein Attribut [2] – zu verstehen ist. Das Substantiv als verbum substantivum, das substanzgebende, also das “Haupt-” Wort. Das verbum, das schlicht “Wort” bedeutet, lässt seine Bedeutung im Feld der Syntax erkennen, denn da ist das Verb in seiner flektierten – gebeugten – Form gleichzeitig Prädikat, also Satzaussage.

Auch die Bezeichnung Adverb ist missverständlich. Sie hat trotz der formalen Übereinstimmung und der naheliegenden Interpretation, ein Adverb bestimme das Verb, das Tuwort, näher, mit Verb und Verbum nur indirekt zu tun. Die ursprüngliche Bezeichnung lautet adverbium, n, Plural: adverbia. Das ist eine Substantivierung, “das zum Verb Gehörige”. Hier ist jedoch das Verb in seiner syntaktischen Form als Prädikat, Satzaussage, gemeint. Hier liegt der Akkzent auf adverbial im Unterschied zu attributiv – z. B. Das Auto fährt schnell. Das schnelle Auto fährt.

Entsprechend lautet der lateinische Begriff für Umstandsbestimmug das Adverbiale – eine gleichermaßen substantivierte Form zu adverbialis, e, wortzugehörig – deren Plural entsprechend adverbialia lautet. [3]

[1] Das betrifft auch eine Sonderform des Konjunktivs II, den Konditional. Der Konditional ist die Form der Bedingung, die im Satzbau signalisiertz wird: z. B. Gingest du zu spät los, verpasstest du die Bahn. Die Bedingung lässt sich auch durch Konjunktionen wie wenn, falls oder Adverbialia wie für den Fall, dass …, im Falle … darstellen.

[2] blog1.institut1: Was ist ein Attribut?

[3] blog1.institut1: Was ist ein Adverb?

Gunhild Simon
Aug 16 2010

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