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Das vieldeutige Herz – vergiss es nicht, o Herze mein ...

Herz und Schmerz ist ein trefflicher, schlichter Reim. Denn was passte besser? März? Scherz? Uns begegnet das Herz nicht nur in seiner spürbaren Allgegenwart, dem Herzschlag , der uns ganz unmittelbar über unseren seelischen Zustand auf dem Laufenden hält, sondern auch in Liedern und Versen, in Text und Kommunikation.

Kaum ein anderes Wort steht für so verschiedene Dimensionen von Körper und Geist, Physis und Psyche.

Das Herz im Sprachvergleich

Herz ist ein Wort, das im indogermanischen Sprachraum eine Vielzahl verwandter Wörter hat: mhd. herz[e], ahd. herza engl. heart, russ. serdce, griech. kardia, lat. cor, cordis, franz. le coeur, ital. cuore, span. corazon.

Fremdwörter lassen, genau besehen, diesen Zusammenhang nun erkennen: Kardiologie, Elektro-Kardiogramm (EKG) usw. (Zivil)courage (mutiges Verhalten), Entente cordiale (»herzliches Einverständnis«, britisch-französisches Bündnis von 1904), Vornamen wie Cordula (Herzchen), Cordelia (die Herzliche).

Das Herz als innerer Mittelpunkt

Im übertragenen Sinn ist das Herz Begriff für unser Innerstes. Ist der Kopf der Sitz der Ratio, der strukturierten Überlegung, des kühlen Verstandes, der kalten Berechnung, so ist das Herz der Sitz der Seele und des Gemüts, des warmen Empfindens, des heißen Gefühls.

Das Herz ist also physisch und psychisch der Lebensmittelpunkt. Als zentrales Organ des Blutkreislaufs mit der Funktion einer Regelungspumpe und als Bild unseres Gefühlslebens. Dies kommt nicht von ungefähr, denn seelische Höhe- und Tiefpunkte machen sich dort bemerkbar: »das Herz hüpft mir vor Freude« oder »das Herz ist mir so schwer«, es könnte mir »vor Kummer zerspringen«. Dass beides miteinander verknüpft ist, spürt man nicht nur am »Hämmern des Herzens«, das einem »bis zum Halse schlägt«, es lässt sich auch am Pulsschlag messen und sogar äußerlich beobachten. So heißt es im Märchen vom Froschkönig: »Der König sah wohl, dass ihr das Herz gewaltig klopfte«.

Von alters her ist das Herz auch der Sitz des Mutes – der Courage, abgeleitet von coeur – der Besonnenheit und Entschlusskraft: beherzt oder ein Hasenherz sein, sich ein Herz fassen oder das Gegenteil von Beherztheit zeigen, wenn einem das Herz vor Angst in die Hose rutscht.

Das Herz als grammatische Besonderheit

Aus sprachlicher Sicht zeigt das Wort Herz noch eine andere Besonderheit: Es ist nämlich das einzige Neutrum, das ein eigenes Deklinationsmuster hat. Die Flexion von Herz geht nämlich so: das Herz, des Herzens, dem Herzen, das Herz. Und es hat auch eine ungewöhnliche, alte Endung, die diese Beugung erklärt: das Herze. In dieser Form begegnet es uns in altertümlichen Zusammensetzungen und Texten: Herzeleid, »... vergiss es nicht, o, Herze mein.« ( Nun lob mein Seel' den Herren. EG 289, Hamburg)

Das Herz in der Fachsprache

Dagegen gibt es im fachsprachlichen Kontext, namentlich wenn es um Zusammensetzungen wie Kunstherz geht, auch eine regelmäßige Flexion: das Kunstherz, des Kunstherzes, dem Kunstherz, das Kunstherz.

Daran lassen sich die Grenzen ablesen, die das Herz als Seelenort den Definitionen der modernen Medizin abverlangt.

Anhang

Übertragene Bedeutungen in weiteren Wendungen und Zusammensetzungen:

  • sich zu Herzen nehmen (wichtig nehmen)
  • zu Herzen gehen (berührt werden)
  • das Herz ausschütten (beichten)
  • Herzenswunsch (innigster Wunsch)
  • das Herz brechen (erobern, Liebeskummer bereiten)
  • gebrochenes Herz (tiefer Liebeskummer)
  • das Herz am rechten Fleck haben (menschlich sein)
  • ein Herz aus Gold (harte Schale, weicher Kern)
  • weiches, gutes, hartes Herz (mitfühlend oder gleichgültig sein)
  • reinen Herzens (unschuldig)
  • schweren Herzens (bedauernd)
  • aus vollem Herzen (in voller Überzeugung)
  • des' Herz voll ist, des' Mund überfließt (echte Empfindung will sich ausdrücken)
  • herzerwärmend (innerlich berührend)
  • herzerquickend (innerlich aufbauend)
  • herzig (ansprechend)
  • herzlich (ehrlich)
  • herzlos (lieblos)
  • beherzt (mutig)
  • herzhaft (frisch, kräftig)
  • herzensgut (liebevoll)
  • weichherzig (mitfühlend)
  • hartherzig (mitleidlos)
  • beherzigen (ernst nehmen)
  • herzen (ans Herz drücken)
Gunhild Simon
21. September 2007

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