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dass oder daß?

Man sieht einem Text schon auf den ersten Blick an, ob sich der Schreiber der Rechtschreibreform verweigert oder ob er sie - aus welchem Motiv auch immer - anwendet. Dieses Signal geht von der Schreibung der Konjunktion “daß” bzw. “dass” aus.

Weil das alte “daß” kurzvokalig ist, ist es anderen vergleichbaren Wörtern orthographisch angepasst worden.

Betrachten wir noch einmal die Quelle der Missverständnisse: Fraß, Maß, maß, saß, bloß u.ä. sind ohne genauere Kenntnisse der Aussprache, die erst einer manchmal schwierig zu findenden Verlängerung zu entnehmen ist, nicht ohne weiteres als langvokalig zu identifizieren.

Die Schwierigkeit lässt sich ermessen, wenn man die genannten Beispiele prüft. Es lassen sich nämlich unterschiedliche Verlängerungen bilden, die einen aufs Glatteis führen:

Fraß, sie fraßen, aber sie fressen
Maß, sie maßen,
aber sie messen
saß, sie saßen,
aber Sessel
bloß, mit bloßen Händen

Entsprechend verhält es sich mit folgenden veralteten Schreibungen: “Faß, Baß, kraß, blaß, paßt” u. ä., die reformiert folgendermaßen zu schreiben sind: Fass, Bass, krass, blass, passt. Auch diese geben ebenfalls erst in der Verlängerung ihre Kurzvokaligkeit im Zusammenhang mit einer Doppel-s-Schreibung preis:

Fässer, Bässe, krasser, erblassen, passen

Dies ist bei Wörtern, die nicht jedem - also Schulkindern und Deutschlernern - unmittelbar geläufig sind, schwer ermittelbar.

Das ist nur durch Ableitung möglich. Von Partikeln, Undeklinierbaren wie Adverbien, Präpositionen und Konjunktionen, ist es schwierig, Verlängerungen zu bilden. Geht man fürbass oder fürbaß? Rätselhaft ist auch die Konjunktion bis, deren Schreibung sich allein von dem Substantiv Biss und der Verbform biss, abgeleitet von beißen, unterscheidet.

Am augenfällisten erscheint uns die Neuschreibung des Bindeworts dass, das man früher daß schrieb. Es ist eine unterordnende Konjunktion, sie verbindet einen Nebensatz mit einem übergeordneten Hauptsatz. Sie bewirkt die typische Satzstruktur eines Nebensatzes, in der das finite Verb am Ende steht. Sie ist neben ob, anders als die übrigen nebensatzeinleitenden Bindewörter, bedeutungsneutral.

Bei ihr versagt eine orthographische Ableitung. Die Schreibung ist in gewisser Weise willkürlich. Dass ist etymologisch ein ganz normales das. Aus diesem Grund ist es der häufigste Grammatikfehler, der zwar immer als Bildungslücke belächelt wird, jedoch nach meinen Beobachtungen jedem manchmal unterläuft. Weil dies eine konstruierte, eine eigentlich “gelahrte” Hürde ist, wie man an Fremdsprachen - que, that, quod - erkennt, ist der Fehler auch nur scheinbar beschämend.

Die von dem Artikel und Pronomen das sich abhebende Schreibung der Konjunktion dass ist nur einer optischen Hervorhebung und besseren Unterscheidbarkeit geschuldet. Ihre orthographische Herausfilterung ist nur über grammatische Methoden - Einsatzproben mit Demonstrativ- oder Relativpronomen, also dieses, jenes, welches - machbar. Die formale - die Eselsbrücke “Verlängere das Wort, und du weißt es sofort!” - greift hier nicht.

Hinzu kommt, dass manche Wörter, wie beißen, beißt, biss, gebissen oder wissen, weiß, wisse, wusste, gewusst gemischte, lang- und kurzvokalige Formenbestände haben.

So banal und widerspruchsfrei ist also die Frage nicht, dass es nicht berechtigt gewesen wäre, durch eine Neuregelung eine Vereinfachung herbeizuführen.

Gunhild Simon
15.06.2009

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