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Der Konjunktiv als Höflichkeitsform

Warum benutzt man die scheinbar unlogische Formulierung “Ich wollte fragen …� Ist das eine Vergangenheitsform oder eine des Konjunktivs?

Sie klingt weder eindeutig nach vergangenem Wollen noch konjunktivischem also irrealem Wollen (Coniunctivus irrealis) noch potentiellem Tun (Coniunctivus potentialis). Inhaltlich steckt darin gar eine klare präsentische, indikativische Aussage: “Ich frage jetzt …”.

Sie ist auch kein Konditional, dem ein gedachter Bedingungssatz sich anschließt wie “Ich wollte, es wäre Nacht oder die Preußen kämen.” [1]

Er ist eine Verhöflichung. “Ich wollte dich etwas fragen” ist inhaltlich “Ich will dich etwas fragen”. Da dies zu plump erscheint, sagt man “Ich würde dich gern etwas fragen” oder “Ich wollte dich etwas fragen”.

Die Frage ist nun, ob es es eine Konjunktiv-II-Form oder eine Imperfekt- bzw. Präteritums-Form ist.

Modale Hilfsverben sind in besonderer Weise irreführend. Im Infinitiv haben sie oft Umlaute, die inhaltlich konjunktivisch anmuten, aber in ihren Indikativformen nicht einlösen. Dagegen im Konjunktiv, so wie bei:

        dürfen, durfte – dürfte,
        müssen, musste – müsste
        können, konnte – könnte,
        mögen, mochte – möchte

Die Hilfsverben sein, haben und werden haben das klassische Muster – normal im Indikativ, umgelautet im Konjunktiv II:

        wurde – würde
        war – wäre,
        hatte – hätte

Dagegen fallen sollen und wollen aus dem Rahmen. Bei den letztgenannten sind die Konj.-II- und Präteritumformen wollte, sollte identisch. Das macht die Bestimmung schwieriger.

Nach dem Muster

        - Dürfte ich sie bitten …?
        - Würden/könnten/möchten/wollten/wollen Sie so freundlich sein …?

(Der Imperativ ist auch bei scheinbar freundlichem Inhalt eine offene Brüskierung: Seien Sie so freundlich …)

        - Ich möchte fragen …
        - Sollte ich lieber gehen?

Auch dies ist höfliche Erwachsenensprache:

        - Ich wollte fragen/ein Buch bestellen/etwas abholen …
        - Ich hätte gern …
        - Ich könnte noch … gebrauchen.
        - Ich würde Sie bitten …
        - Das wäre alles.

Konjunktiv II als Höflichkeitsform

Der Konjunktiv II ist auch eine Höflichkeitsform – ohne konjunktivischen oder bedingenden Gedanken, sondern ein Nein höflich vorwegnehmend. Sogar höfliche Verrenkungen wie Ich würde … wollen kommen vor.

Modalverben weisen eigene Besonderheiten auf, wodurch sie sich von andern Verben unterscheiden.

Sie sind nicht für die zusammengesetzten Zeiten geeignet. Das liegt daran, dass sie weder eine Perspektive von Vollendung noch Zukunft haben, weil sie dafür gedacht sind, die Modalität eines anderen Verbs zu charakterisieren. Weil sie sich als Hilfsverb einer konkreten Tätigkeit entziehen, haben sie auch keinen Modus Imperativ.

Grammatisch stellt der Konjunktiv II in den obigen Floskeln einfach eine erstarrte Form dar, deren Interpretation hier nicht einheitlich verstanden wird. Diese spachliche Erstarrung wird als höflich empfunden. Sie bedeutete ursprünglich eine Art Vortrittsüberlassung oder Rücktrittseinräumung. Das legen jedenfalls die meisten Zusammensetzungen mit hätte, würde, wäre, könnte, dürfte, müsste … nahe.

[1]
General Wellington vor der Schlacht bei Belle-Alliance, unweit Waterloo. Die Preußen unter Blücher kamen, und dann erlebte der aus dem Exil zurückgekehrte Empereur- Napoléon seine letzte und endgültige Niederlage, sein “Waterloo”.
waterloo1815.de

Gunhild Simon
Feb 16 2010

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