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Die Buddenbrooks im Streit's am Jungfernstieg in Hamburg

Buddenbrooks - Jungfernstieg
Filmpreview "Die Buddenbrooks"

In einem halben Jahr - zu Weihnachten - wird im Kino die Neuverfilmung des Romans “Buddenbrooks” von Thomas Mann zu sehen sein. Gestern folgte ich einer Einladung, mir den Film in seiner vorläufigen Form anzusehen. Der Preis dafür war das Ausfüllen eines Fragebogens, dessen Ergebnis in die endgültige Fassung einfließen soll.

Thomas Mann hat für den Roman 1929 den Literaturnobelpreis bekommen, fast 28 Jahre nach Erscheinen des Romans. Ein Ereignis, von dem bekannt ist, dass es ausnahmsweise als Grund für die Störung seines Mittagsschlafs anerkannt wurde.

Die Vorlage ist zugleich ein Schlüsselroman mit autobiographischen Zügen, in dem Thomas Mann seine eigene Geschichte als Spross einer Lübecker Kaufmannsfamilie verarbeitet. Nun hat sich der Regisseur Heinrich Breloer, der sich schon bei dem Fernsehmehrteiler “Die Manns” Vorschusslorbeeren zu diesem Thema verdient hat, einer dritten Verfilmung der Familiensaga angenommen. Armin Müller-Stahl und Iris Berben führen die Riege der jüngeren Schauspieler an, die sich gegen ihre Urbilder aus früheren Verfilmungen behaupten müssen.

Im Gegensatz zu dem Kinofilm von 1959 umfasst der neue einen sehr viel längeren Zeitraum, die Zeit zwischen der Mitte und dem Ende des vorletzten Jahrhunderts.

Es geht um den Zerfall und Niedergang der Lübecker Patrizierfamilie Buddenbrook, deren Mitglieder persönliche Konflikte daran hindern, das Familienimperium zusammenzuhalten.

Der Film beginnt, als sich noch geschäftlicher Segen über dem Kaufmannshaus ergießt, das Familienleben noch intakt ist. Der angesehene Senior, der Getreidekaufmann Konsul Jean Buddenbrook, und seine elegante Frau Bethsy lenken souverän die Geschicke der weltoffenen Firma und angesehenen Familie. Das Geschäft floriert. Das Schicksal der standesgemäß erzogenen Kinder scheint unter einem günstigen Stern zu stehen.

Die Protagonisten, Thomas, Christian und Antonie Buddenbrook, verbringen eine unbeschwerte Kindheit. Die politischen Wirren der Jahrhundertmitte sind eine ferne Kulisse. Die Revolution macht noch naiv und einsichtig an der Tür des Hauses Buddenbrook Halt. Noch zeichnet sich der bedrohliche Konkurrenzkampf nicht ab zwischen den späteren Konsuln Buddenbrook und Hagenström, ihre Rivalität um die geschäftliche und politische Vormachtstellung in der Hansestadt Lübeck. Noch kündet nichts von dem Versagen Christians, dessen pathologische Selbstbeobachtung ihn zugrunderichtet und dessen fragwürdiges Geschäft am Jungfernstieg in Hamburg kläglich enden soll. Nichts von der Tragik Tonis, die, Opfer der Geschäftspolitik, aus zwei gescheiterten Ehen ins Elternhaus zurückkehren wird, und schließlich der glücklosen Hand Thomas Buddenbrooks. Er, auf dessen Schultern die Verantwortung für das Unternehmen ruht, endet buchstäblich in der Lübecker Gosse, als er vor der Zeit sterbenskrank auf dem Pflaster der Stadt zusammenbricht. Der kränkliche kleine Hanno, letzter Spross der Familie - musisch hochbegabt wäre er zu einem eigenen Aufstieg fähig gewesen. Er geht seelisch an der kalten Banalität der Schule zugrunde und stirbt an Typhus.

Aller Wechsel des Geschicks wird in der Chronik des Hauses Buddenbrook, der Klammer, die die Zeitläufte zusammenhält, festgehalten. Es ist allen drei Geschwistern beschieden, ihr persönliches Streben einer nicht mehr tragfähigen und bereits im Wandel begriffenen Tradition zu verpflichten, es dem Wohl und dem Kalkül der Firma zu opfern. Aber keinem von ihnen erwächst daraus das Lebensglück.

Es sind ihre persönlichen Schwächen, die sie scheitern lassen und zu Opfern werden lassen.

Und das ist auch das Thema des Films. Das Verhängnis geht von der Charakterstruktur der Menschen aus. Genau diese zentrale Aussage der Romanvorlage zeichnet der Film nach. Der Untergang der Familie findet sein Abbild schließlich in der Räumung, der Demontage und dem Verkauf des renommierten Hauses an Hagenström, den ewigen Konkurrenten, während die wenigen verbliebenen Mitglieder der Familie sich in alle Winde zerstreuen.

Man kann ihn als Historienfilm ansehen. Er hat die Dramatik eines Generationsepos’, das unvermittelt den Vergleich mit dem Klassiker “Vom Winde verweht” aufnötigt. Aber man hütet sich heutzutage vor Platitüden, wie sie in den fünfziger Jahren unabdingbar waren.

Die Ausstattung ist gelungen. Die Beleuchtung beeindruckt. Man spürt förmlich das Klima und die Atmosphäre im Lübeck jener Zeit. Man sieht sich inmitten der abgeschotteten Eleganz des Patrizierhauses. Das gedämpfte Licht hinter geschlossenen Vorhängen ist eine Metapher der aufkommenden Weltfremdheit, das schlaglichtartige Aufleuchten beim Öffnen eines Fensters spricht vom Hereinbrechen neuer Zeiten. Man erfasst die Verknüpfung des Lübecker Lebens mit Seehandel, Hafen und Schifffahrt, die Bedeutung der Ostsee. Man riecht den Rauch, den Nebel und den ärmlichen Mief in der Enge der - heute pittoresk sanierten - Altstadt. Das gesellschaftliche Zusammenspiel erschließt sich. Weder wird das Leben der einfachen Menschen beschönigt, noch das der Reichen verschleiert.

Webhinweise:

Die “Buddenbrooks” wird neu verfilmt Gunhild Simon
23.05.2008

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