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Die griechische Tragödie – Protagonisten und Epigonen

Im Mittelpunkt der antiken griechischen Kultur steht das Theater. Davon zeugen noch heute die Ruinen großangelegter antiker Amphitheater.

Prototyp des antiken Theaters ist die Tragödie, das Trauerspiel.

Zunächst besagt das Wort jedoch anderes. Tragöde, griechisch tragodía, hat zunächst gar nichts mit Trauer und Traurigkeit zu tun. Die eigentliche Bedeutung ist “Bocksgesang”, zusammengesetzt aus griechisch tragos, Bock, und ode, Gesang. Beim Dionysosfest wurden Umzüge mit Masken und Bocksfellen zu Ehren des Gottes und der ihm verbundenen Satyrn gemacht. Auch das Opfer eines Bockes könnte eine Rolle für die Bezeichnung gespielt haben.

Die klassische Tragödie ist von vornherein als Aporie angelegt. Ihre gesamte Konstellation folgt vorherbestimmter Ausweglosigkeit. Von einem bestimmten Wendepunkt an ist der tragische Held seinem Schicksal ausgeliefert. Im Mittelpunkt steht der innere Konflikt einer Handlung, die alternativlos auf den Untergang als zu erfüllende Bestimmung zutreibt. [1]

Anders als im Drama ist das Scheitern des Helden in der Tragödie unausweichlich. Die Struktur der Tragödie entspringt der charakterlichen Hybris des Protagonisten: Ödipus, dem sein Schicksal des Vatermords und des Mutterinzests geweissagt ist, verlässt seine vermeintlichen Eltern, um seinem Schicksal zu entgehen. Diese Handlung birgt aber paradoxerweise den Keim seiner Erfüllung.

Die antike Mythologie hält eine Fülle tragischer Heldengestalten bereit, die unlösbaren Verstrickungen, unwandelbaren Fehlentscheidungen und schicksalhaftem Tod ausgesetzt sind: Persephone, Orpheus sowie Orest, Elektra und Iphigenie.

Aus der Welt des griechischen Theaters stammen die Bezeichnungen, die sich über das klassische Rom bis in alle eurpäischen Kulturen erhalten haben. Es sind Fachbegriffe der Theater- und Literaturwissenschaft, die übertragen bis in den Alltag reichen.

Hier einige Beispiele:

Theater – Schauplatz, griechisch theatron
Drama – Handlung, dramatisch, dramatisieren, Dramatik, Dramaturgie
Komödie – Lustspiel, eigentlich “das Singen” eines komos, einer fröhlichen Schar, Komödiant, komödiantisch, komisch
Tragödie – Trauerspiel, tragisch, Tragik
Epos – Ausspruch, Erzählung, episch, Epik
Poesie – Dichtkunst, Poet, poetisch
Lyrik – Dichtungsart mit Rhythmus, lyrisch, Lyriker

Weniger geläufig sind Protagonist und Epigone. Dabei handelt es sich nur bei dem ersten um den Terminus für eine herausragende Rolle. Der andere ist eher eine kritisch zu betrachtende Figur in der Welt der darstellenden Kunst.

Der Protagonist ist der erste Schauspieler des griechischen Theaters, der Hauptakteur und Hauptdarsteller, aus protos, als Vorsilbe proto- oder vor Vokalen prot- erster, vorderster, wichtigster, Ur-, und agon, Wettkampf. In der Literaturwissenschaft ist der Protagonist die zentrale Gestalt, die Heldenfigur. Außerhalb der Literatur und des Theaters hat er die Rolle des Vorkämpfers, des Bahnbrechers für eine Sache.

Der Epigone ist ursprünglich keine Figur des Theaters. Die griechische Vorsilbe epi-, vor Vokalen ep-, bedeutet auf, darüber, epigonos heißt wörtlich nachgeboren. Das Wort Epigone ist ein Bild für eine Charakterisierung als Nachkomme oder Nachfolger, der Vorgefundenes nur weiterführt, Vorhergegangenes ohne schöpferische Gestaltung nachahmt.

[1] Beispielhafte Formulierungen aus der berufenen Feder des Tragikers Friedrich Schiller:

“Nicht errettet den göttlichen Held die unsterbliche Mutter,
Wann er, am skäischen Tor fallend, sein Schicksal erfüllt.”
aus: Nänie

Die Rede ist hier vom Tod des griechischen Helden Achill vor den Toren Troias, den seine göttliche Mutter nicht vor dem Tode retten konnte.

“Selbst der Styx, der neunfach sie [die Unterwelt] umwindet,
Wehrt die Rückkehr Ceres’ Tochter nicht.
Nach dem Apfel greift sie, und es bindet
Ewig sie des Orkus’ Pflicht.”
aus: Das Ideal und das Leben

Die Rede ist von dem missglückten Versuch Persephones, der Gattin wider Willen des Hades, des Herrschers der Unterwelt, dem Schattenreich den Rücken zu kehren.

Gunhild Simon
Sep 04 2010

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