Die Sprache des Rap
Die Sprache des Rap schockiert: Spricht hier der Mut der Verzweiflung oder handelt es sich um Verwahrlosung der Sprache? Jugendmusik ist Protestmusik. Sie klingt umso radikaler, je geringer die Chancen ihrer Protagonisten sind, einen Platz in der Gesellschaft zu gewinnen.
Rap ist der Ausdruck der Jugend, die sich
am Rand der Gesellschaft erlebt. Rap ist Provokation, Rap ist Protest,
Rap ist Selbstdarstellung, Rap ist Abgrenzung von Wohlerzogenheit und
Angepasstheit. Die Thesen lassen sich am Wortlaut der Liedtexte
erhärten.
Ist der Rap amerikanischer Vorbilder ein
Produkt schwarzer Ghettos, so definiert sich der hiesige vorwiegend über
den Migrationshintergrund seiner Idole, zum Beispiel Bushido oder Baaba
Saad.
Die Musik ist so schroff wie der
dazugehörige halsbrecherische Tanz. Der ist in seinen Gesten und
artistischen Untermalungen unverwechselbar, fast unnachahmlich. So derb
der Text, frei von Reimen, so herb, unmelodisch ist die Musik selbst,
eine Art Rezitativ.
Menschenverachtung oder Sehnsucht?
Die Texte sind knapp, eher verkürzt,
gerade noch für Insider, die die Sprache dieser Szene beherrschen,
verständlich. Die Worte sind häufig obszön, vulgär, am Rand des
Erträglichen. Da ist die Rede von Sex und Gewalt, von Inzest und Folter,
von Blut und Tod. Verbale Pornographie, Fäkalsprache, die
Machtstrukturen beschreibt, Menschenverachtung, Entwürdigung und
Entwertung, oft sind das die Überschriften, unter denen die Songtexte
stehen.
Doch dies ist nur die eine Seite. Denn die
Worte dieser Musik haben auch eine andere Dimension. Ihre Botschaft ist
Sehnsucht und Schmerz: Sehnsucht nach Geborgenheit, Anerkennung und
Liebe. Schmerz über die Verkehrtheit, die Aussichtslosigkeit, die
Ungerechtigkeit, die Kälte. Worte, die sich verzehren nach Glück, Wärme
und Gemeinsamkeit, verzweifelt bittere und sentimentale Worte, die
Klage führen über das Elend, vor dem jedermann die Augen verschließt.
Die Verantwortung der Elterngeneration
Jede heranwachsende Generation strebt nach
Abgrenzung von der Elterngeneration. Das ist ein notwendiger Prozess
der Abnabelung, ein Akt der Demonstration von Unabhängigkeit. Sie wird
sichtbar und erfahrbar in andersartiger Mode, Musik und Sprache. Eltern,
Erzieher und Lehrer, die dies wohlmeinend oder aus falsch verstandener
Solidarität kopieren, stoßen auf Unverständnis oder Ablehnung. Denn ihre
Rolle schließt Zugehörigkeit aus.
Dieses Streben nach Identität und
Autonomie, nach Eigenem, Unverwechselbarem wird gestört, wenn die
Chancen auf Erfüllung sinken. Wenn ein Mensch kein verlässliches
Fundament hat, auf das er bauen kann, wenn er daraus nicht ein
Werteschema entwickeln kann, das heranzubilden und auszufüllen sich
lohnt, wenn er keine Ziele daraus ableiten kann, die sein
Selbstwertgefühl tragen, dann droht Verwahrlosung. Sie ist eng verknüpft
mit der Abstumpfung durch die Perspektivlosigkeit der
Elterngeneration.
Vorbilder und Werte
Wenn Vorbilder fehlen, weil Resignation
die Selbstachtung dieser Leitfiguren zerstört und Desinteresse an die
Stelle von Engagement für den Nachwuchs tritt, dann verliert das Kind
sein Urvertrauen. Wenn schließlich der heranwachsende Mensch –
angewiesen auf diese Einbindung in Werte, die sich in Erwartungen,
Interesse an seiner Person, Freude über sein Dasein, Glaube an seine
Kraft ausdrücken – diese Bindungen verliert und entbehrt, dann kann sich
seine Kraft ins Negative verkehren – in Ablehnung, Resignation,
schlimmstenfalls Hass. Wenn das familiäre Netz nicht mehr trägt, sucht
der junge Mensch nach einer Ersatzfamilie, die ihm Rückhalt und Deckung
gibt. Das kann die Gang sein, eine Gruppe, die von autoritären
Strukturen umso stärker geprägt ist, je geringer das Selbstwertgefühl
und die Unabhängigkeit des Einzelnen sind.
Die Liberalität einer Gesellschaft wird
konterkariert durch ihr schwächstes Glied, den Teil der Jugend, der ohne
Perspektive und daher ohne Ideale ist: Ohne Sprache keine Bildung –
ohne Bildung keine Lebensperspektive. Ohne Perspektive kein Antrieb zum
Erhalt und Ausbau demokratischer Werte. Benachteiligung und Ausgrenzung
führen ins politische Abseits.
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