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Die unwiederbringliche Leichtigkeit des Glücks

Siegfried Lenz: Schweigeminute

Siegfried Lenz hat eine Liebesgeschichte geschrieben: Schweigeminute. Wegen des klassischen Spannungsbogens trägt sie den Namen Novelle, kleine Neuigkeit. Es ist eine Geschichte von Liebe und Sterben. Es ist eine Geschichte über das Lieben und Trauern. Doch da kommt die Liebe nicht wie ein Mahlstrom, sondern wie eine warme Welle, die trägt, fortträgt.

Die Welle - das Meer und das Wasser - sind leitmotivisch. Denn der Ort des Geschehens ist ein norddeutsches Fischerdorf mit Hafen, ein Ferienort mit Strand. Das Meer ist der Ausgangspunkt für Unterhalt und Unterhaltung, für Arbeit und Freizeit, für Leben und Tod.

Es geht um die Liebe zwischen dem 18-jährigen Schüler Christian und seiner jungen Lehrerin Stella. Sie entfaltet sich mit einer ganz unspektakulären Selbstverständlichkeit - fast wie eine Affäre. Aber sie ist fern von greller Anrüchigkeit zart, aber geradlinig, still, aber nicht karg, weder verschämt noch begierig. Doch noch ehe sie ihre gesellschaftliche Brisanz entwickeln kann, endet die Liebe schon mit dem Tod der jungen Frau.

Es ist eine Geschichte von der Vergänglichkeit. Die unausweichliche Tragik wird bestimmt von der Gebundenheit der Menschen ans Meer, lebensbegründend und todbringend zugleich. Die Meisterschwimmerin Stella, das bedeutet Stern, wird Opfer eines Bootsunfalls. Das Segelschiff Polarstern gerät bei einem heraufziehenden Unwetter gegen die Hafenmole, deren Aufbau ein Werk ist, an dem auch Christian als Sohn des Steinfischers mitgewirkt hat. Er, der Steintaucher, ist zugleich Zeuge und unschuldig Schuldiger. Er kann die Geliebte nur bergen, es gibt keine Rettung.

Es ist auch eine Geschichte vom Erwachsenwerden, denn die neuerwachten Gefühle lassen den Jungen die Gestaltung der Beziehung, die gemeinsame Zukunft entwerfen. Sie lassen ihn Pläne machen über das Geldverdienen, um einen Ort des Rückzugs für die Liebenden zu schaffen - kurz, sie lassen ihn über die Gegenwart hinausdenken.

Und es ist auch eine Geschichte vom Altwerden. Denn neben den Jungen, die noch zwischen Spiel und Ernst pendeln, stehen die alten und die alternden Männer. Die erfahrenen, die gelassenen, die wissenden, die sich fügenden. Die alten Fischer, die alten Lehrer, die alten Väter.

Gunhild Simon
17.07.2008

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