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Effi Briest

Fontanes Gesellschaftsroman vom preußischen Gesinnungs- und Gesittungskorsett ist immer noch aktuell. Denn der Konflikt, der aus falsch verstandener Partnerwahl entsteht, berührt existentielle Grenzen. Deshalb fühlen sich gerade Frauen tief angerührt, obwohl sich die Zeiten inzwischen geändert haben und gesellschaftliche Zwänge leichter zu überwinden sind als ehedem.

Baron von Instetten, ein Mann mit besten Manieren, Referenzen und Aussichten, jedoch mit fragwürdigem schulmeisterlichen Impetus und “ohne rechte Liebe”, hält um Effi an. Unversehens findet sie sich, kaum 18-jährig, in einer fremden Welt und in einer Rolle, die sie überfordert, wieder.

Die junge Ehefrau, um ihre Jugend betrogen und in einen starren Kodex gezwängt, erliegt dem Charme eines unkonventionellen Fremden, des Majors Crampas, der ihr bewusst macht, was sie begehrt und entbehrt.

Lange Zeit nach der letztlich erlösenden Trennung gelangen längst vergessene Briefe, sentimentale Zeugnisse vergangener Leidenschaft, zufällig in die Hände Instettens. So nimmt das Verhängnis seinen Lauf. Denn indem er sich einem anderen anvertraut, bringt er sich um jede Wahlmöglichkeit. Mitwisserschaft bedeutete, die Entehrung veröffentlicht zu haben. Die Ehre wiederherzustellen ist nun ein standesgemäßes, wenn auch nicht gesetzlich anerkanntes Erfordernis auf Leben und Tod: Das Duell mit dem einstigen Kameraden und Rivalen ist unumgänglich. In den schicksalsträchtigen Dünen, wo de Affäre ihren Anfang nahm, schreiten die Sekundanten das Feld ab. Wahl der Waffen, Knappe Kommandos, ein Schuss. Crampas fällt.

Der Sieger jedoch kann nicht schuldlos daraus hervorgehen.

Denn dieser Schritt hat einschneidende Folgen. Die Familie ist damit zum Zerfall verurteilt. Für Instetten bedeutet er Resignation und das Bewusstsein existentieller Fragwürdigkeit. [1] Für Effi bedeutet er Verstoßung, Schmerz und Trennung. Ein Leben in Bescheidenheit und Abgeschiedenheit. Effi zerbricht an ihrem Leid.

So die Dramaturgie des Romans.

Das Vorbild der Romanfigur ist Elisabeth von Plotho, die allerdings nicht an dem Konflikt zugrundegegangen ist, sondern bis in die Mitte des vergangenen Jahrhunderts lebte.

Eine Neuverfilmung “Effi Briests” bedient sich einiger inhaltlicher Verschiebungen, um das Zusammenspiel der Personen durchsichtiger zu machen und die verästelte Handlung zu straffen. Der entscheidende Eingriff besteht schließlich darin, Effis Lebensweg offen zu lassen. [2]

Dies ist im Gesamtzusammenhang des Films auch konsequent, denn Effi - verkörpert von Julia Jentsch - wird in ihrer Lebendigkeit kompromisslos und selbstbewusst vorgestellt, während ihr Ehemann - Sebastian Koch, der eigentlich von Haus aus ein großes Sympathiepotenzial hat - fern aller Sensibilität und menschlichen Entwicklung starr und eindimensional bleibt. Effis Mutter, Luise von Briest, gespielt von Juliane Köhler, bahnt diese Verbindung enthusiastisch an. Sowohl sie, die auf oberflächliche und unsouveräne Weise und ohne den gelassenen, fein ordnenden Überblick der Frau von Briest der Romanvorlage agiert, als auch der träge und tumb wirkende alte Briest, bleiben als die wohlmeinenden und hochverehrten Eltern ihres geliebten, einzigen Kindes unglaubwürdig.

[1] Der Schlüsselsatz, der Instettens resignativen Glücksbegriff beschreibt, findet sich im 35. Kapitel: “Das Glück, wenn mir recht ist, liegt in zweierlei: darin, daß man ganz da steht, wo man hingehört (aber welcher Beamte kann das von sich sagen), und zum zweiten und besten in einem behaglichen Abwickeln des ganz Alltäglichen, also darin, daß man ausgeschlafen hat und daß die neuen Stiefel nicht drücken. Wenn einem die 720 Minuten eines zwölfstündigen Tages ohne besonderen Ärger vergehen, so läßt sich von einem glücklichen Tage sprechen.”
Theodor Fontane - Effi Briest - Fünfunddreißigstes Kapitel

[2] Effi Briest, Deutschland 2008,
Regie: Hermine Huntgeburth
Darsteller: Julia Jentsch (Effi), Sebastian Koch (Instetten), Juliane Köhler (Luise von Briest)

Gunhild Simon
19.02.2009

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