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Ein Fremdwort macht stutzen: antichambrieren

Das Wort antichambrieren mit seinem französischen Habit wirkt etwas angestaubt, gleichwohl hat es einen unfeinen Beigeschmack und lässt an Klinkenputzen, Intriganz, Bestechung denken – kurz an allerlei unsaubere, heimliche Machenschaften.

Es bedeutete zunächst »im Vorzimmer warten«, jedoch hat sich die damit verbundene abwertende Bezeichnung »durch beharrliches, wiederholtes Vorsprechen etwas zu erreichen suchen« erhalten.

Zunächst löst die Vorsilbe Unbehagen aus: anti- bedeutet gegen. Daher verbindet sich damit die Assoziation von Widerstand. Doch für sich genommen ist anti- eher wertfrei, wie sich an einer Vielzahl von Fremdwörtern zeigt: Antinomie, Widerspruch, Antithese, Gegensatz, Antiseptikum, Wundinfektionshemmer. Anti- begegnet uns sowohl in negativer Besetzung wie Antichrist als ein Euphemismus für den Teufel, oder in positiver wie in Antibiotikum als ein Medikament gegen biologische Erreger, Bakterien, gleichermaßen in antifaschistisch wie in antisemitisch.

Im Falle von antichambrieren wird jedoch der Sinn in der Herkunft des Wortes nicht recht transparent. Da scheint eine missverständliche Verwechslung von ante, vor, und anti-, gegen, vorzuliegen. Und tatsächlich, der ursprüngliche Zusammenhang war ante camera – vor der Kammertür. Gemeint war vielleicht ursprünglich das Abfangen des – noch wehrlosen, verschlafenen und ungerichteten – Opfers, auf das Einfluss zu nehmen man sich anschickte.

Genaugenommen verhält es sich so: franz. antichambre, ital. anticamera, wie auch das antiquierte Fremdwort Antichambre, sie alle bezeichnen das Vorzimmer. Ursprünglich war es das Ankleidezimmer, das vor dem herrschaftlichen Schlafzimmer, der Kammer, gelegen war und zu dem nur der Kammerdiener Zugang hatte. Um bis dahin vorzudringen bedurfte es möglicherweise einer gehörigen Portion Durchsetzungsvermögen, Intriganz oder Bestechungsgeld.

Die in diesem Zusammenhang ungewöhnlich erscheinende Verwendung der Vorsilbe anti- begegnet uns auch in dem italienischen Antipasto, Vorspeise – wörtlich ante pasto, vor der eigentlichen Speise – und in dem Fremdwort antizipieren von lat. anticipare, vorwegnehmen und Antizipation, Vorwegnahme. Obgleich lautliche Gesetze für eine Umbildung von ante- zu anti- sprechen, setzte sich in den meisten lateinischen Zusammensetzungen jedoch ante- als Vorsilbe für die Bedeutung »vor-« durch.

Gunhild Simon
2.07.2008

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