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Ein gebräuchliches Verb: brauchen

In vieler Hinsicht ist brauchen ein besonderes Verb.

Als transitives Verb mit Akkusativobjekt bedeutet es benötigen, nötig haben. In dieser Bedeutung sollte man es strikt von gebrauchen, benutzen, verwenden unterscheiden. Beide, gebrauchen und brauchen haben ein gleichlautendes Partizip Perfekt: gebraucht, das die Verwirrung fördert.

Der Unterschied lässt sich an dem etwas eigentümlichen Fachbegriff Brauchwasser aufzeigen. Brauchwasser ist Frischwasser, das man benötigt, also braucht. Gebrauchtwasser wäre der überflüssige Stoff, Abwasser, das man benutzt hat, also gebrauchtes Wasser.

Brauchen kann auch als modales Hilfsverb auftreten, dann muss ihm, anders als bei den anderen [1], aus konservativer Sicht die Präposition zu folgen.

Als modales Hilfsverb wird es nur verneint gebraucht. Nicht brauchen ist in einer anderen Bedeutungsvariante als dürfen das Gegenteil von müssen.

Als modales Hilfsverb taucht es, das ist eine besonders wichtige Funktion der Modalverben, besonders oft im Konjunktiv II auf: Ich müsste eigentlich … (müssen), Möchtest du …? (mögen), Dürfte ich vielleicht …? (dürfen) Könnte ich bitte …?

Die obigen Modalverben haben im Wortstamm einen Umlaut, /ü/ und /ö/. Im Weiteren wird dieser Umlaut in den Konjunktiv-II-Formen erhalten. In den unregelmäßigen Verbformen des Präteritums und Partizips Perfekt wird er dagegen abgelautet zu /u/ und /o/, also ergibt sich hier müssen – musste – gemusst, mögen – mochte – gemocht, dürfen – durfte – gedurft, können – konnte – gekonnt. Die Konjunktivformen werden gebildet aus dem Wortstamm des Infinitivs. Hier bleibt also der konjunktiisch verstandene Umlaut erhalten: müssen – müsse – müsste, mögen – möge – möchte, dürfen – dürfe – dürfte. können – könne – könnte.

Weil brauchen als Modalverb jedoch das einzige mit regelmäßigen Stammformen [2] – brauchen, brauchte, gebraucht – ist, hat die Sprachgemeinschaft offenbar das Bedürfnis, den Konjunktiv vom Präteritum abzugrenzen und zumindest in umgekehrter Form zu markieren.

So kommt die Form *bräuchte zustande, die deshalb von den meisten sogar richtiger empfunden wird – konjunktivischer eben – als die richtige *brauchte*, die sich nicht vom Präteritum formal unterscheidet. Dies ist zwar nichts Ungewöhnliches, denn alle anderen regelmäßigen Verben kennzeichnen den Konjunktiv II nicht durch Umlautung. Stattdessen gebraucht man deshalb gern die – deutlich umgelautete -“würde”-Form, um den Konjunktiv hervorzuheben.

Lautverschiebungen jedoch sind ein Merkmal unregelmäßiger Verben, während regelmäßige keine haben und nur deshalb würde zur Verdeutlichung magisch anziehen. [3] Lautverschiebungen, die an “bräuchte” entfernt erinnern, sind Brauch – Bräuche, Gebrauch – Gebräuche, gebräuchlich, Gebräuchlichkeit. Dennoch käme niemandem in den Sinn ich *gebräuchte oder *verbräuchte zu formulieren. Die Lautverschiebung von /au/ zu /äu/ ist also kein Merkmal der Formenbildung von regelmäßigen Verben, sondern von Ableitungen, Derivationen zu Adjektiven, Verben und Pluralen. [4]

Der Duden lässt mittlerweile bräuchte mit dem Hinweis auf die weite Verbreitung zu, wohl weil die Form inzwischen so in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen ist, daß diese Entwicklung akzeptiert werden muss. Auch das einst obligate zu [5] darf bereits entfallen.

[1]
Die Modalverben sind: müssen, dürfen, mögen, sollen, können, wollen, brauchen - in bestimmten Zusammenhängen auch wissen.

[2]
Die Modalverben haben in der 1. und 3. Person Singular, Präsens eine um das /-e/ der 1.Person und das /-t/ der 3.Person verkürzte Personalendung: ich/er muss, darf, soll, kann, will. Ebenso ich/er weiß. Im Gegensatz aber: ich brauche, er braucht.

[3]
Hier einige Beispiele unregelmäßiger und im Gegensatz dazu regelmäßiger mit /au/ im Wortstamm:

saufen, soff, söffe, gesoffen
laufen, lief, liefe, gelaufen

schauen,schaute, geschaut
bauen, baute, gebaut
rauben, raubte, geraubt
erlauben, erlaubte erlaubt
rauchen, rauchte, geraucht
schmauchen, schmauchte, geschmaucht
brauchen, brauchte, gebraucht

[4]
rauchen, Rauch, räuchern, geräuchert
rauben, Raub, räubern, Räuber, räuberisch
sauber, Sauberkeit, säubern, säuberlich
bauen, Bau, Bauer, bäuerlich,

Zur Derivation vgl.
blog1.institut1 – Wortbildung durch Derivation bei Verben und Substantiven

[5]
Hier sei das einst geflügelte Wort zitiert:
“Wer brauchen ohne zu gebraucht, braucht brauchen gar nicht erst zu gebrauchen”.

Weiterführender Hinweis zu einer Besonderheit von Modalverben:
Modalverben haben keinen Imperativ

Gunhild Simon
Feb 10 2010

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