Thumulla.com

Ein heißumkämpftes Kapitel der Rechtschreibung: recht oder Recht?

Wohl kaum ein anderes Wort ist so ins Kreuzfeuer der Debatte um die richtige, die rechte Schreibung, gelangt wie Recht und recht. Das liegt daran, dass ihr unterschiedliche grammatische Auffassungen zugrundeliegen.

Im Französischen unterscheidet man mit verschiedenen Wörtern zwischen »recht« im Sinne von Vernunft, raison, also »richtig« und »Recht« im Sinne von »das Recht«, droit. Das Englische begnügt sich mit right.
Tu as raison. You are right. Du hast recht/Recht.
Tu as le droit. You have the right. Du hast das Recht.
Darin wird das Dilemma deutlich, in dem sich das Deutsche mit den verschiedenen Auffassungen von »recht« befindet: substantivisch »das Recht«, verblasst substantivisch »Richtiges, Rechtes«, adjektivisch veränderlich »richtig«, adverbial unveränderlich »richtig« oder als Abtönungspartikel »ganz, ziemlich«.

Obwohl die Fügungen mit recht und Recht zunächst ihre Differenzierung in Herkunft und Sinn verbergen – recht sein, recht bleiben, recht machen, recht werden; Recht/recht haben, geben, behalten, bekommen, tun; Recht sprechen – kann man sie auch unterschiedlich deuten.

Innerhalb des scheinbar identischen Auftretens von recht gilt es Unterscheidungskriterien herauszuarbeiten. Im Deutschen lauten Adjektive und Adverbien meist gleich.

Das Merkmal von Adverbien ist ihre Unveränderlichkeit, Adjektive in attributiver, näher bestimmender, Stellung passen sich dem Beziehungswort an. Als Prädikativ ist ein Adjektiv im Deutschen wiederum unveränderlich. Adjektivische Bedeutung von recht zeigt sich in die rechte Braut, ich habe keine rechte Lust, prädikative in so ist es recht, adverbiale erkennt man in recht in der Bedeutung von richtig als nähere Bestimmung eines Verbs – gehe ich recht ...? – oder eines Adjektivs – recht schön. Hier erkennt man eine Besonderheit des Adverbs, es wird zur Abtönungspartikel, vergleichbar mit ganz, sehr, besonders, richtig, völlig.

Als Substantivierung ist der Fall eindeutig. Auch die Verwandtschaft gibt keine Rätsel auf: rechthaberisch, Rechthaber, Rechthaberei. Wie aber lautet das dazugehörige Verb? Recht/recht haben oder gar rechthaben?

Zunächst wurde der substantivischen Auffassung des Wortes Recht folgend die frühere Kleinschreibung in Großschreibung umgewandelt. Inzwischen hat sich dieses Verständnis gewandelt, so dass nun substantivische und adjektivische Auffassungen zugrunde gelegt werden können. Ein adverbiales Attribut wie es bei Sätzen wie »du hast ganz recht, ich gebe dir völlig recht, es geschieht dir ganz recht, du tust ihm sehr unrecht« vorliegt, verbietet eine substantivische Auffassung. Dagegen ist ein Adverb ohne Objekt in Verbindung mit haben ungrammatisch: Jeder nimmt die Fehlerhaftigkeit des Zitats »Ich habe fertig« wahr, weil auch hier ein Objekt zwingend ist. Daran zeigt sich, dass verbale Ausdrücke mit recht grammatikalisch nicht eindeutig zuzuordnen sind.

Aus dieser Einsicht heraus ist seit 2006 die frühere Form recht haben/geben neben Recht haben/geben wieder anerkannt. Dagegen ist die Form *rechthaben, rechtgeben* falsch. Dies mag zunächst befremdlich erscheinen, scheint doch bereits die Betonung diese Schreibung zu bestätigen. Zusammensetzungen mit haben, wie satthaben, genughaben, guthaben, liebhaben, freihaben, sind nur scheinbar Parallelen, denn sie alle brauchen mindestens ein gedachtes Objekt: etwas satthaben, (von etwas) genug haben, es/etwas guthaben, jemanden liebhaben, (den Tag) freihaben. Daran wird der adjektivische Charakter dieser Komposita deutlich. *rechthaben* setzte demnach ein Verständnis von *richtighaben* voraus.

Zur Unterscheidung der Groß- und Kleinschreibung bei Fügungen mit recht/Recht ist die Kenntnis hilfreich, dass es sich im Zusammenhang mit Kopulaverben wie sein, werden und bleiben um verblasste Substantivformen handelt, die in dieser Zusammensetzung klein und getrennt geschrieben werden – recht sein, recht werden, recht bleiben. Im Zusammenhang mit haben, geben, behalten, bekommen, tun obliegt es dem Schreiber, seine Auffassung in seiner Schreibung zu erkennen zu geben. Er hat die Wahl zwischen recht haben und Recht haben.

Gunhild Simon
10. Februar 2007

alle    deutsche Sprache    Gunhild Simon    Startseite(__index)



Thumulla.com    Startseite der Artikel    Links und Werbung    Diskussion    Suche auf dieser Seite