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Fachsprachliche Pluralbildung - Beweis von Bildung und Gelehrsamkeit?

Es gibt Fremdwörter, deren Plurale nicht den Wortbildungsgesetzen im Deutschen genügen. Dies zu berücksichtigen ist in den Fachsprachen gang und gäbe. Hält jedoch ein Wort Einzug in die Alltagssprache, klänge es manieriert, wollte man die perfekten lateinischen, griechischen oder gar exotischeren Pluralbildungen anführen.

In der Grammatik spricht man von dem Kasus und den Kasus mit langem /u/. Das sind die grammatischen Fälle. Der Modus, die Modi sind die Aussageweisen des Verbs, um Indikativ und Konjunktiv zu unterscheiden. Man spricht von Tempus und Tempora und Genus und Genera als den grammatischen Zeiten und Geschlechtern, von Korpus und Korpora, wissenschaftlichen Materialien und Belegen. In der Musik dagegen, wo das Italienische regiert, spricht man von Tempo und Tempi, wenn man die Bewegtheit beschreibt. In den Fachsprachen besteht eine Tendenz zur Verwendung der originalen Plurale.

Die Pluralbildung von Fremdwörtern ist in der Alltagssprache eher der deutschen Pluralbildung angepasst.

Man spricht von Faktoren und Pastoren. Meistens von Themen, obwohl der korrekte griechische Plural Themata ist. Nur einzelne Wörter verlangen nach dem Original. Das sind solche, deren Plural die Gefahr eines Missverständnisses bergen und solche, die das Wort der Verwechselung und Lächerlichkeit preisgäben. Dies betrifft Schema - Schemata, denn der Plural Schemen ist formal identisch mit Schemen, m, Trugbild. Das Gleiche gilt für Trauma, Traumata, denn Traumen käme zu stark in eine assoziative Nähe von Träumen. Das Wort Status bildet den originalen Plural Status mit einem langen /u/. Da ein dem Deutschen angepasster Plural Staten mit Staaten lautgleich ist, ist es sinnvoll, diesen Plural zu beherrschen. Das trifft auch auf Visum zu, dessen Plural Visa lautet. Die Pluralbildung Visen ist lautlich zu verwechseln mit Wiesen. Auch die Wörter Praktikum und Praktik sind in der Bildung des Plurals im Deutschen nicht zu unterscheiden. Deshalb bildet man Praktika von Praktiken. Oft ist die fachsprachliche Originalendung des Singulars, Analgetikum, Antibiotikum, Anabolikum, bereits ein Indiz für die Pluralildung Analgetika, Antibiotika, Anabolika.

Der Plural von Kaktus könnte ganz pragmatisch Kakten lauten. Dieses Wort lenkt jedoch durch den Beiklang von Gossensprache so sehr ab, dass man sich des Oberbegriffs Kakteen, Kaktusartige, bedient. Die andere Möglichkeit - Kaktusse - ist wie Zirkusse lexikalisiert, klingt aber in den Ohren mancher unbeholfen.

Gunhild Simon
4.09.2008

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