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fromm und gottesfürchtig

Frömmigkeit ist eine hohe Tugend. Die Bedeutung der Religiosität wurde ihr jedoch erst im Nachhinein zuteil.

Ursprünglich ist fromm ein Synonym für vornehm, vorbildhaft, bevorzugt. Es bezeichnet also eine Spitzenstellung, einen Vorzug, ein Vorbild, von dem die Wirkung eines Vorgesetzten ausgeht. Das bezeugt noch die englische Präposition from, in der Bedeutung “ausgehend von”.

Als fromm galt eine Fülle tugendhafter Eigenschaften von der Tapferkeit, Tüchtigkeit und Ordentlichkeit über Güte und Ehrlichkeit bis zur Nutzbarkeit, Willigkeit, Fügsamkeit und Unschuld. Das zeigt das Wort “lammfromm”, denn dem Lamm wurde schon immer Demut, Hingabe, Unschuld und Sanftmut selbst zugeschrieben. Heute ist von all den Bedeutungen für fromm nur noch die von Gottesfurcht übrig geblieben.

Aus dieser Sicht erklärt sich die vielfältige Verwendung von “fromm” als kooperativ in altertümlichen Texten: Ein “frommes Kind” ist als braves, bereitwilliges Kind zu verstehen, ein frommes Nutztier als lenkbares, zahmes Tier, ein frommer Knecht und Diener ist seinem Herrn ergeben, verfügbar und dienstbar, eine fromme Frau ist fügsam und willig, ein frommes Spiel ist unschuldig und hingebungsvoll.

Wenn heute unter fromm nur noch andächtig, gottesfürchtig und gottgefällig zu verstehen ist, so muss man doch diesen Bedeutungswandel berücksichtigen, um Frommheit nicht als Gläubigkeit misszuverstehen, sondern darin die ursprünglich weiter gefasste Bedeutung von Demut zu sehen.

Im Gegensatz zu dem Adjektiv fromm und der üblichen Ableitung Frömmigkeit steht das Verb frommen. Es hat seine Bedeutung entsprechend der einen von fromm, nützlich, bewahrt. Demgemäß bedeutet es ausschließlich nutzen, nützlich sein, entgegenkommen. Das Verb gehört einem altertümlichen Sprachregister an. Es regiert, anders als nutzen, ausschließlich den Dativ und ist daher intransitiv.

So wie Frömmigkeit über den Umweg von frömmig abgeleitet ist, so ist in gottesfürchtig und ehrfürchtig fürchtig enthalten.

Beide, frömmig und fürchtig sind, wie auch furchtig, als eigenständige Wörter erloschen. Abgelöst wurde frömmig von fromm. Der inhaltlich markante Unterschied in fürchtig wird durch furchtsam zum Ausdruck gebracht, während furchtig durch fürchterlich ersetzt wurde.

Gunhild Simon
Okt 23 2012

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