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Fronleichnam - heiteres Fest mit befremdlichem Namen

Das Fronleichnamsfest wird seit 1624 alljährlich am zweiten Donnerstag nach Pfingsten gefeiert. In diesem Jahr fällt es auf den 22. Mai.

Zu meiner Kinderzeit war dies mein Lieblingsfest, obwohl ich als Tochter protestantischer Eltern nur Zaungast war. Es herrschte rege Betriebsamkeit rund um die katholische Christus-König-Kirche, ein klotziger Sandsteinbau, erbaut aus den Natursteinen des nahegelegenen Steinbruchs. Wir sind in Haste - in den fünfziger Jahren ein höchst biederer Vorort von Osnabrück, der Stadt, in deren Rathaus einst der westfälische Friede zur Beendigung des 30-jährigen Krieges geschlossen wurde.

Am Vortag des Festes war der Kirchhof für die Schulkinder in grabgroße Parzellen aufgeteilt worden, und die Kinder hatten die Aufgabe, diese Beete über und über in einen Teppich voller Blumenornamente zu verwandeln. Untrennbar damit verbindet sich der Anblick von Schneeballblüten und Fliederduft. Nie zuvor in meinem Leben durfte ich etwas Prächtigeres gestalten!

Mit größtem Entzücken erfüllten mich darauf die blumengeschmückten Altäre, die den Kreuzweg, einen veritaben Wallfahrtsweg, säumten. Offenbar hatte jeder fromme Katholik - und in der Gegend zwischen Osnabrück und Münster waren alle fromm - seinen Garten den Sitten des Fronleichnamsfestes geopfert und alle Blumen für das Fest gestiftet. Am Festtag selbst schritten Wallfahrtszüge, Priester und Ministranten in prächtigem Ornat an ihrer Spitze, kostbare Insignien vorantragend, begleitet vom rezitativen Singsang der Bittgesänge zur barocken Wallfahrtskirche des Nachbarortes Rulle - ein wegen jener Kirche bekannter Ort, eingebettet im Nettetal zu Füßen des Wiehengebirges.

Fronleichnam - das klingt zunächst abstoßend. Für protestantische Ohren fremd. “Happy Kadaver” - so lautet eine volkstümliche, gutmütig-derbe Übersetzung des katholischen Feiertags.

Das Wort Fron kommt nur noch in übertragener Bedeutung in unserer Sprache vor. Dagegen ist das Adjektiv froh geläufig und wird leichthin unwissentlich anstelle des Wortes Fron verwendet. Es ergibt sich der missverständliche Titel “*Frohnleichnam”.

Indessen rührt der befremdliche Klang Fronleichnam zunächst von dem Wort Leichnam. Gemeint ist damit der Leib Christi, in Form der Hostie - dem Sinnbild der Hingabe Jesu. Nach katholischer Lehre ist diese der Leib Christi selbst, der durch die Wandlung darin einbegriffen wird. Diese Handlung, die Austeilung von Brot und Wein als Metaphern seines zum Opfer dargebrachten Leibes, vollzog nach den Aussagen des Neuen Testaments Jesus seinerseits für seine Jünger als Versprechen zur Vergebung der Sünden. Dies geschah am Vorabend seines Verrats, seiner Verurteilung, Geißelung und Hinrichtung durch das Kreuz. Das ist der Hintergrund der Feier des Heiligen Abendmahls, zu der sich heute alle christlichen Gemeinden versammeln.

Der andere Wortteil Fron wirkt ebenso fremd. Das liegt daran, dass Fron, Fronarbeit, Frondienst an das Los der Leibeigenschaft, des Ausgeliefert- und Fremdbestimmtseins erinnern. Es erscheint noch in dem Verb frönen, das in gehobener Sprache “sich einer Leidenschaft ergeben” ausdrückt.

In der Tat hat das Wort Fron zwei Bedeutungen, die ursprünglich nahe beieinander lagen. Aus dem althochdeutschen Substantiv fro, Gott, Herr, entwickelte sich ein mittelhochdeutsches Adjektiv vron, das sowohl die Bedeutung heilig, göttlich - Gott und Christus gehörig - und herrschaftlich, öffentlich - einem weltlichen Herrn gehörig - hatte. Das untergegangene Substantiv fro hat seine Spuren in seinem weiblichen Pendant, althochdeutsch frouve, mittelhochdeutsch vrouve, Frau, Herrin, hinterlassen. Diese Bedeutung schlägt sich auch nieder in der Bezeichnung “unsere liebe Frau“, unsere liebe Herrin.
So erschließt sich das Fest zu Ehren des göttlichen Leibes des Herrn Jesus Christus. Fronleichnam ist der heiligen Hostie bei der Feier des Heiligen Abendmahls gewidmet.

Gunhild Simon
18.05.2008

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