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Frucht und Ernte

Früchte der Arbeit, Früchte der Mühe, Früchte des Zorns. Fruchtlose Bemühungen und fruchtbringende Anstrengungen, fruchtbare Zusammenarbeit und unfruchtbare Tätigkeit, fruchtende Gespräche und befruchtende Vermittlungen – hier wird deutlich, welcher Abglanz von Saft und Fülle durch Übertragung auf dürre Worte fällt.

Unter Früchten versteht man zunächst den Ertrag von Nutzpflanzen – das sind Feldfrüchte, Gartenfrüchte, Baumfrüchte, Obst und Gemüse. In diesem Zusammenhang verweist Frucht auf eine Verallgemeinerung im Sinne von Ertrag, Ergebnis, Gewinn, Gewinnung.

Botanisch ist die Frucht die Gesamtheit der zur Samenbildung aus der Blüte hervorgegangenen Organe, die den Samen als Subjekt der genetischen Vermehrung umgibt. Beispiele dafür sind Stein- und Beerenfrüchte, Hülsen-, Schoten- und Kapselfrüchte, Nüsse und Zapfen. Die Samen sind in die Frucht eingebettet, um in ihrem Schutz heranzureifen. Die Attraktivität der Frucht dient als Werbung für allerlei Lebewesen, die an der Verbreitung der Samen mitwirken.

Frucht ist ein Lehnwort aus lateinisch fructus, französisch und englisch fruit. Mittelhochdeutsch und althochdeutsch stehen dem vruht, fruht zur Seite. Neben fructus, das im Lateinischen in übertragener Bedeutung als Ertrag, Gewinn zu verstehen ist, steht frux, Frucht im figürlichen Sinne, woraus sich die botanische Entlehnung ableitet.

Im Mittelhochdeutschen steht fruht noch als Bezeichnung für Kind. Daraus erklärt sich das teils scheltend, teils schelmisch gebrauchte Wort “Früchtchen” für ein vorlautes, munteres Kind.

Auch der Begriff der Leibesfrucht erklärt sich aus dieser Quelle. Im gynäkologischen Sprachgebrauch ist bis zu einem bestimmten Reifegrad des Ungeborenen von der Frucht die Rede. Auch die Begriffe Fruchtwasser und Fruchtblase bilden diesen Zusammenhang ab.

Wie aber sind die Früchte des Meeres einzuordnen? Italienisch kennen wir sie als Frutti di mare, französisch als Fruits de mer. Das sind all die Meerestiere, die nicht unmittelbar als Fische einzuordnen sind: Unterschiedlichste Formen von Krebstieren wie Taschenkrebs und Krabbe, Hummer und Languste, über Kopffüßler wie Oktopus und Tintenfisch, der eigentlich Kalmar heißt, bis zu Weich- und Schalentieren wie Schnecken, Muscheln, Seeigeln und Quallen. Der Name Meeresfrüchte legt eine Bestimmung der Tiere eigens zum menschlichen Verzehr nahe. Gleichzeitig wirkt der Name verschleiernd, als handele es sich gar nicht um Lebewesen, die zum Verbrauch gefangen und getötet werden, sondern um Erträge, die “geerntet” werden. Dieser Auffassung entsprechen Muschelbänke. Das sind Einrichtungen, die Muscheln und Austern Halt und Nahrung, also Futter bieten, bis sie schließlich geerntet werden. Die Übertragung des Begriffs der Ernte, der zuvor auf pflanzliche Erträge beschränkt war, findet neuerdings auch Anwendung auf das Meersalz in eigens dafür angelegten Salinen. Hier sammeln sich die zu Salzblumen erstarrten Kristalle der Delikatesse “Fleur de Sel” an.

Gunhild Simon
Mrz 31 2010

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