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gang und gäbe

Einprägsame Wendungen fußen vorwiegend auf dem Paarprinzip. Wie sich langjährige Paare - Frau und Mann, Hund und Herr - einander zuweilen in Physiognomie und Gestik, in Haltung und Modulation annähern, haben diese Wortpaare Gemeinsamkeiten.

Unabhängig davon, dass sie häufig gegenseitige Verstärkungen sind, Redefiguren, Pleonasmus genannt, wie ganz und gar, recht und billig oder auf immer und ewig - zeigen sie ihre Zusammengehörigkeit durch Klang und Inhalt: durch Steigerung (vom Regen in die Traufe kommen), Alliteration (mit Mann und Maus, durch dick und dünn, Tod und Teufel, hoch und heilig) oder Reime ( sang- und klanglos, kunterbunt, weit und breit, nach Faser und Maser, mit Ach und Krach, Sack und Pack ).

Ein solches sich verdoppelndes Wortpaar ist “gang und gäbe”. Darunter versteht man etwas Übliches, Normales. Der Klang gibt keinen Aufschluss darüber, ob es nicht ebensogut “gang und gebe” lauten könnte. Die grammatische Form beider Wörter ist undurchsichtig.

Das erste Wort, gang, klingt wie eine Präteritumform von gehen. Sie existiert allerdings gar nicht, denn gehen hat eine höchst eigenwillige Formenfolge: gehen, ging, gegangen. Das Wort Gang kennt man als Synonym für Flur, Durchgang. Auch gäbe ist schwer zuzuordnen. Man könnte es für eine Konjunktiv-II-Form von geben halten, das würde auch die Alternative gebe als Konjunktiv-I-Form rechtfertigen. All dies lässt sich, wollte man Verben zugrundelegen, grammatisch nicht recht durchdringen.

Beide Wörter, gang und gäbe, sind in Wahrheit keine Verbformen, sondern veraltete und verblasste Adjektive. Hatte gäbe die Bedeutung genehm, annehmbar, so bedeutete gang üblich, dem Laufe der Dinge gemäß, was unter den Leuten umläuft.[1] Beide sind heute nur noch in dieser Wendung gebräuchlich - gang und gäbe.

[1]
| ›Gäng und gäbe‹ war ursprünglich ein Begriff
| des Münzwesens und bezeichnete die augenblicklich im Umlauf
| befindliche, gültige Währung, so schon Anfang des 13.
| Jahrhunderts im ›Sachsenspiegel‹ des Eike von Repkow »geng und
| gêve«; 1289 in Süddeutschland »ain Kostenzer pfenninch, der denne
| genge und gaebe ist«; 1491: »425 fl. Rh., so in disem Land zu
| Swaben gutt, ganng und gab sind«, 1534 bei Luther in Gen 23, 16:
| »vier hundert sekel silbers, das im kauff geng und gebe war«.
| Später findet die Formel auch in der Geschäftssprache zur
| Bezeichnung von Waren Verwendung; heute wird sie von umlaufenden
| Münzen nicht mehr gebraucht, dafür aber in übertragener Anwendung
| auf alle Bereiche des täglichen Lebens, für alles, was Sitte und
| Brauch ist oder von der augenblicklichen Mode bestimmt wird.
|
| H. SCHRADER: ›Gang und Gäbe‹, in: Zeitschrift für deutsche
| Sprache (Hamburg) 10 (1896/97)

Gunhild Simon
13.12.2008

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