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Gang und Stieg, Gasse und Chaussee, Leite und Plan

Straßen und Wege haben regional unterschiedliche Namen.

In Hamburg ist die Bezeichnung Gasse ungebräuchlich. Sie passt auch kaum zu den überwiegend breit angelegten Straßen und Alleen der Hansestadt. Gasse, schwedisch gata, englisch gate, ist durch Straße verdrängt worden. Unter Gasse versteht man eine enge, von Häuserzeilen gesäumte Straße ohne Baumbestand und ausgebaute Trottoirs oder Bürgersteige.

Und da, wo sich noch Reste gewachsener Straßenstrukturen finden, da wo das Wort Gasse zutreffend wäre, haben sich oft andere Bezeichnungen durchgesetzt, die mit der Geschichte des Viertels verknüpft sind. Im Gängeviertel sind die Straßen eng und verwinkelt, da heißen sie meistens Gang.

Auch Stieg ist in Hamburg eine Straßenbezeichnung. Der Stieg hat aber nicht wie im süddeutschen Sprachgebrauch mit Stiege - Stufen, Leiter, Treppe, steiler Weg - zu tun, sondern mit Steg, Steig, wie es in Bürgersteig zum Ausdruck kommt. Ein Steg bewahrt einen vor Sumpf und Morast, ein Stieg vor Straßenschmutz, Kot und Abwässern, die in Zeiten rückständiger Abwassersysteme oft ein Rinnsal auf dem nach innen geneigten Pflaster bildeten.

Man findet den prominenten Jungfernstieg neben weniger spektakulären. So bildete der Hegestieg, der die Hegestraße in Richtung des Isebekkanals kreuzt, einen kleineren Abkömmling der Straße. Die Errichtung eines Stiegs wie des Jungfernstiegs am Rande der Alster, eines zu einem Mühlenteich aufgestauten Flüsschens, war sicher eine schuh- und kleidersaumschonende Maßnahme. So ließ es sich schon früher flanieren oder zu einer Bootsfahrt aufbrechen, wo heute der Anleger der Alsterschiffe ist.

Die Wege entlang der Flüsse und Bäche zu Zeiten überwiegend unbefestigter Straßen waren oft aufgeweicht und feucht. Oft waren sie als Treidelpfade angelegt. Das waren Pfade, wie sie auch an Kanälen entlanglaufen, von wo aus Kähne durchs Wasser gezogen wurden. Einer dieser ehemaligen Treidelpfade ist der Hamburger Leinpfad, der den Alsterlauf von Winterhude bis zur Einmündung in die aufgestaute Außenalster begleitet.

Aus den benachbarten Dörfern führten Landstraßen zur heutigen Hamburger Innenstadt. So manche hieß Chaussee, ein Fahrdamm mit gestampften Steinen, galloromanisch calciata, worin sich das Wort Kalk erkennen lässt. In fast jedem Stadtteil Hamburgs finden sich gleichnamige Wege, Straßen, Landstraßen oder Chausseen - Elbchaussee, Rothenbaum-, Hoheluft- oder Alsterkrugchaussee.

Dort, wo die Elbe an ihrer Steiluferseite bewohnt ist, also in Övelgönne, Blankenese, am Süllberg, sogar von St. Pauli hinab zum Hafen, finden sich steile Wege, die mit Treppe bezeichnet werden und oft mit Stufen versehen sind. Die heißen aber nicht Stiege, denn es sind keine süddeutschen Stiegen. Nur von der Övelgönne aufwärts zur Elbchaussee heißt ein sehr steiler Aufstieg “Himmelsleiter”. Das ist ein romantisch verklärender Name für die steile Elbufertreppe.

Die Leiten führen zu einem Plan. Z. B. finden sich dort der Untere Plan und der Obere Plan. Auch Goethe residierte nicht fern von Dresden in Weimar an einem Plan, am Frauenplan. In Plan erkennt man die Verwandtschaft zu niederländisch plein, Platz, auch zu französisch plaine und englisch plain, Ebene. Die andere Bedeutung des deutschen Wortes Plan hat etwas mit plan, eben, einfach, zu tun. Ein Plan, sei es eine Zeichnung, eine Skizze oder im übertragenen Sinn ein Vorhaben, bezeichnet einen vereinfacht gestalteten, auf einer Ebene dargestellten Entwurf.

Gunhild Simon
8.05.2009

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