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Geburt und Kaiserschnitt

Geburt und gebären, im weiteren Sinn verstanden, hat etwas mit Hervorbringen zu tun. Das wird deutlich, wenn der Begriff im übertragenen Sinne gebraucht wir: Kopfgeburt, ein schwere Geburt, aus der Not geboren, die Geburt einer neuen Zeit.

Das Verb gebären tritt vor allem als Partizip Perfekt, geboren, in Erscheinung. Die übrigen Formen muten altertümlich an. Sie begegnen uns in Zitaten und Metaphern ” …und sie gebar ihren ersten Sohn”,  “Der Traum der Vernunft gebiert Ungeheuer”, Titel eines Bildes von Francisco Goya,  “Der Berg kreißt und gebiert eine Maus”.

Etymologisch hat das Verb gebären und das daraus abgeleitete Substantiv Geburt etwas mit tragen zu tun. Das ist in manchen Zusammenhängen auch immer noch deutlich, bei Tieren spricht man nicht von schwanger, sondern von trächtig, tragend. Die Verwandtschaft zu tragen zeigt sich in englisch to bear, ertragen, in lateinisch ferre und griechisch pherein, tragen. Im Deutschen ist es übertragen in dem Suffix -bar enthalten. Andere Wörter sind verwandt: Bahre, Gebaren, Gebärde, sich gebaren, entbehren, gebühren, Gebühr.

Die Geburt und das Gebären beschreiben den Vorgang des Auf-die-Welt-Kommens und -Bringens. Die Entbindung ist die darauffolgende Handlung: Das Kind ist geboren, hat das Licht der Welt erblickt, und sein Blutkreislauf, seine Sauerstoffversorgung müssen nun eigenständig funktionieren. Die Nabelschnur wird durchtrennt. Das ist die Entbindung. Kommt nun ein Kind durch einen Kaiserschnitt zur Welt, ist dies ein chirurgischer Eingriff, der es erlaubt, das Kind aus dem Mutterleib zu befreien. Es ist also keine Geburt, wohl aber eine Entbindung. Man müsste also von einer Kaiserschnittentbindung sprechen.

Der Schutzparton der Schwangeren, der Gebärenden und der Hebammen ist der Heilige Raimund Nonnatus, (1202-1240). Nonnatus bedeutet non natus, nicht geboren. Er wurde in einer Notoperation aus dem Leib seiner Mutter geborgen, die während der Geburt gestorben war. Er verdankte also einem Kaiserschnitt sein Leben.

Der Kaiserschnitt hat seinen Namen aus dem Lateinischen. Plinius berichtet über Caesars Geburt als von einer Kaiserschnittentbindung. Caesar war der erste Alleinherrscher, “Kaiser” Roms. Kaiser leitet sich also von Caesar ab. Der Fachbegriff Sectio caesarea, englisch Caeserian operation, Kaiserschnitt, deutet dies an. Das Kind Gaius - mit dem Geschlechternamen der Gens Iulia Iulius und dem Cognomen, dem in seiner Familie üblichen Beinamen, Caesar - ist jedoch von seiner Mutter aufgezogen worden. Nach Gajus Julius Caesar, dem Staatsmann, führten alle römischen Kaiser seit seinem Neffen und Adoptivsohn C. Iulius Octavianus, dem Kaiser Augustus, den Namen Caesar als Titel.

Das Römische Recht schrieb in der Lex caesarea [1] vor, dass beim Tod einer Schwangeren dem Ungeborenen eine Überlebenschance oder eine getrennte Bestattung zuteil werden müsse und es daher aus dem Leib der Verstorbenen zu schneiden sei. Man könnte in dem Namen Caesar eine Verbindung zu dem Partizip-Perfekt caesum, von caedere, fällen, hauen, schlachten, schneiden erkennen.

[1] Dig. XI.8.2: negat lex regia mulierem, quae praegnas mortua sit, humari, antequam partus ei excidatur. Qui contra fecerit, spem animantis cum gravida peremisse videtur.


Ein königliches Gesetz verbietet, dass eine Frau, die schwanger verstorben ist, beerdigt werde, bevor die Leibesfrucht aus ihr herausgeschnitten wurde. Wer dem zuwiderhandelt, setzt sich dem Vorwurf aus, ihre Hoffnung auf Überleben mit der Schwangeren getötet zu haben.

(Aus den Digesten, einem Bestandteil des Corpus Iuris Civilis, der Gesetzessammlung Kaiser Justinians)

Gunhild Simon
18.07.2008

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