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Gelten - vielgestaltig, weitverzweigt und verzwickt

Das Verb gelten kommt in einer Reihe unterschiedlicher Bedeutungen und in voneinander abweichenden Zusammenhängen vor.

Etymologisch ist gelten weitverzweigt. Mittelhochdeutsch gelten heißt zurückzahlen, erstatten, entrichten, entschädigen - entgelten, vergelten - für etwas büßen, etwas eintragen, Einkünfte bringen, zahlen, bezahlen, kosten.

Das Wort geht zurück auf das germanische Verb *geldan, das sich auf den heidnischen Opferdienst und im Bereich des Rechts auf die Zahlung von Bußen, Abgaben oder Steuern bezog. Daraus wird auch der Bezug zu Geld durchschaubar, das im Althochdeutschen mit gelt auch die Bedeutung Vergeltung hatte.

Vergelten versteht man zwar zunächst als rächen oder strafen. In einer Variante bedeutet es auch wiedergutmachen. In der Wendung “Vergelt’s Gott!” drückt der Empfänger Dankbarkeit für eine Wohltat aus, deren Ausgleich Gott anheimgestellt wird. Auch das in Süddeutschland übliche “gelt” oder “gell” ist ein Rest von gelten. Es bedeutet “Es soll gelten?”

Das Verb gelten ist unregelmäßig.
gelten (er gilt, du giltst), galt, hat gegolten

Die Bedeutungsvarianten sind:

1. wert sein, einen bestimmten Wert haben
2. gültig sein, Gültigkeit haben
3. als etwas, als jemand gelten; für etwas, für jemanden gelten als etwas; als jemand, für etwas, für jemanden angesehen werden
4. etwas gilt jemandem; etwas ist für jemanden bestimmt
5. es gilt etwas; es kommt auf etwas an

Dazu die Präfixbildungen: vergelten, Vergeltung, entgelten, Entgelt, abgelten und die Ableitungen: geltend, gültig, endgültig, Gültigkeit [1]

Beispiele für die Bedeutungsvarianten:

1. Der Euro galt zwei Mark. Der Prophet gilt nichts im eigenen Land. Das Zeugnis gilt nicht viel.
2. Der Pass gilt noch zwei Jahre. Das Reifezeugnis gilt, um Zugang zur Universität zu erlangen.
3. Er gilt als geheilt. Es gilt als anstößig. Das Abitur gilt als Nachweis der Universitätsreife. Er gilt für arm.
4. Die Aufforderung, sich ruhig zu verhalten, galt auch dir. Alle Bemühungen gelten der Aufklärung des Falles. Euch gilt meine ganze Aufmerksamkeit.
5. Es gilt, Gerechtigkeit zu üben. Es gilt, die Ordnung wiederherzustellen. Es gilt nicht zu gewinnen, sondern zu vermitteln.

Wenden wir uns einem Satz zu, in dessen Aussage gelten in der Bedeutung für jemanden bestimmt sein gebraucht wird.

“Den Maßstab für guten Stil zu ergründen und den Lesern verständlich zu machen, gelten die Bemühungen der nächsten Monate.”

In dem gefällig und flüssig anmutenden Satz steckt ein kaum merklicher Grammatikfehler. Denn in der hier vorgestellten Bedeutung steht gelten in der unpersönlichen Form von etwas gilt einem Ziel, oder (Erwartungen, Aktivitäten, Tätigkeiten, Bemühungen, Anstrengungen, Leistungen) gelten einem Ziel oder sind ihm gewidmet, dafür bestimmt oder vorgesehen. Den Formulierungen mit gelten oder gewidmet sein muss ein Dativobjekt zugeordnet werden. Bestimmt oder vorgesehen sein wird vorzugsweise mit dem Pronomen für verknüpft, das ein Akkusativobjekt verlangt.

Entscheidet man sich für eine Formulierung mit gelten, so muss ein Dativobjekt - dem, dieser Aufgabe, diesem Ziel - dem erweiterten Infinitiv vorausgehen:

Den Maßstab für guten Stil zu ergründen und den Lesern verständlich zu machen, dem gelten die Bemühungen der nächsten Monate.

[1] vgl. dwds.de: Wörterbuchartikel aus dem WDG - gelten

Gunhild Simon
9.02.2009

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