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Genitiv - ein nicht vollwertiger Kasus?

Der Genitiv ist in der Diskussion. Seit Bastian Sicks Bestseller über die Gefährdung des Genitivs, des letzten durch seine Endung hervorgehobenen Kasus, wird er auf seine Überlebensfähigkeit geprüft. Es gibt Stimmen, die den Genitiv nicht mehr als vollwertigen deutschen Kasus verstehen und ihm einen untergeordneten Rang zuweisen.

Was ist davon zu halten?

In der gesprochenen Sprache dient der Genitiv tatsächlich überwiegend als Possessivmarkierung, Genitivus possessivus, also als nähere Bestimmung eines Besitzverhältnisses. Er ist außerdem in den meisten Fällen leicht zu ersetzen durch eine Wortgruppe, eingeleitet durch die Präposition von mit Dativ, oder er ist in ein Kompositum eingegangen.

Beispiel: der tote Arm des Flusses, der tote Arm von dem/vom/ Fluss, der tote Flussarm

Der Gebrauch des Genitivs [1] wird als ein Merkmal für gehobenen Sprachgebrauch empfunden. Einige Verben, Adjektive und Präpostionen verlangen ausschließlich den Genitiv als Objekt. Das sind Verben wie (der Hilfe) bedürfen, (der Tage) gedenken, sich(eines Urteils) enthalten, Adjektive, [2] wie (der Gnade) teilhaftig, (der Stadt) ansichtig. Viele Präpositionen wie kraft (Gesetzes), inmitten (des Gartens) und adverbiale Bestimmungen wie meines Erachtens, unverrichteter Dinge sind mit dem Genitiv verbunden. [3]

Genitivregierende Strukturen werden manchmal als bildungsbeflissen, abgehoben, gar gestelzt, belächelt oder bestaunt. Eine angemessene Sprachebene war jedoch schon immer die Aufgabe eines Sprechers oder Schreibers. Sie macht die Lebendigkeit der Sprache aus.

Den Genitiv aus der Deklination des Deutschen auszusondern scheint mir jedoch wegen seiner dennoch fortwährenden Bedeutung als Objektkasus, das ist die Verknüpfung bestimmter Verben und Adjektive mit dem Genitiv, und wegen des Genitivs bei einer Vielzahl von Präpositionen nicht gerechtfertigt.

[1] blog.institut1: Der Genitiv

[2] Merksatz: begierig, kundig, eingedenk, teilhaftig, mächtig, voll, regieren stets den Genitiv, wer das nicht glaubt ist toll!

[3] blog.institut1: Dativrektion und Genitivrektion - Verdrängt der Dativ den Genitiv?

Gunhild Simon
5.06.2009

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