Thumulla.com

Giftlolch und Mutterkorn - Das hat der böse Feind getan

In der Bibel gibt es ein Gleichnis vom Unkraut im Weizen. Es handelt davon, dass über Nacht giftige Körner in die frische Getreideaussaat gestreut worden sind und die ganze Ernte bedrohen. Die Knechte wollen handeln, doch der weitblickende Herr weist sie zu einem besonnenen Vorgehen gegen das Teufelswerk an. [1] In einer Predigt zu diesem Thema [2] habe ich auch etwas über Botanik erfahren. Ich habe gelernt, dass es der Giftlolch war, der solches Verderben brachte.

Dieser rätselhaften Pflanze galt es nachzugehen.

Der Giftlolch hat noch andere Namen, die sich auch in seiner botanischen Bezeichnung spiegeln: Lolium temulentum, Taumellolch, Schwindelhafer - lateinisch temulentus, a, um heißt taumelig. Die Symptome, die der Giftlolch auslöst, gleichen einem Rausch. Es kommt zu Schwindel und Sehstörungen, Schmerzen und Krämpfen, die von Nervengiften verursacht werden.

Im Mittelalter beruhte die Ernährung überwiegend auf Getreide. Eine gleichsam epidemisch um sich greifende Krankheit, hervorgerufen durch Gift im Korn, traf vor allem die Armen. Roggen und Weizen waren gerade bei schlechten Ernten verdorben. Not, Knappheit und Teuerung trafen zusammen mit aus Unwissenheit und Aberglauben geborene Unvorsichtigkeit. Die gesamte Kette - Missernte, Hunger, Verseuchung, Vergiftung und Krankheit - wurde Hexen als mit dem Teufel im Bunde zugeschrieben.

Das getreideartige Gras, der Lolch, wuchs früher oft auf Getreideäckern. Er hat eine Affinität zu einem giftigen Pilz, der die ganze Wirtspflanze befällt und vergiftet. Daher rührt der Name Giftlolch. Dieser Pilz gleicht dem Mutterkorn, einem ähnlich unheilvollen Pilzbefall der Roggen- und Weizenähre. Wegen seiner bedrohlichen Auswirkungen heißt es auch Hungerkorn.

Das Gedeihen der Myzelien, der Pilzfäden, wird durch feuchte Witterung begünstigt, weil dadurch die Bestäubung des Getreides verhütet wird und die Pilzsporen ungehindert in die Narben unbestäubter Grasblüten eindringen. Das Mutterkorn ist eigentlich kein Korn, sondern ein dem Korn ähnliches Sklerotium, das ist die “mütterliche” Dauerform eines hornartigen Pilzgeflechts. In Erscheinung tritt es in vergrößerten dunklen, kornähnlichen Gebilden, die, fallen sie auf den Boden, im darauffolgenden Jahr eine große Menge kleiner gestielter Fruchtkörper hervorbringen, deren Sporen wiederum durch den Wind verbreitet werden.

Das ganze Myzel enthält giftige Alkaloide, die eine entstellende Krankheit, Ergotismus -Antoniusfeuer, Ignis sacer, Mutterkornbrand - auslösen. Die Symptome kann man in der Darstellung des Isenheimer Altars [3] anschauen.

Der Name Mutterkorn deutet auch auf eine Beziehung zur Gebärmutter hin. Es ist nämlich darin ein Abortivum, ein wehenfördernder Stoff, enthalten, der für Abtreibungen verwendet wurde. Dieser Einsatz des Giftes brachte für die Patientin auch die Gefahr der Erkrankung an Ergotismus mit. Im Volksmund hat das Mutterkorn noch einen weiteren Namen: Tollkorn. Das lenkt den Blick auf eine andere Verwendung: Wegen ihrer hallunizatorischen Wirkung [4] können die Inhaltsstoffe des Pilzes zu LSD verarbeitet werden. Laienhafte und profitgierige Fehler in der Dosierung hatten allerdings schon schwerwiegende Folgen. blog.institut1

Webhinweise:

[1] http://www.blog.institut1.de/2008/dem-teufel-verschrieben/

[2] Hauptkirche St. Nikolai - Predigt über das Gleichnis vom Unkraut im Weizen am 5. Sonntag nach Trinitatis, 22. Juni 2008

[3] Wikipedia - Ergotismus
Zeno.org - Kriebelkrankheit

[4] Jefferson Airplane: White Rabbit (1967) ” … and you will just have some kind of mushroom”

Gunhild Simon
11.07.2008

alle    deutsche Sprache    Gunhild Simon    Startseite(__index)



Thumulla.com    Startseite der Artikel    Links und Werbung    Diskussion    Suche auf dieser Seite