Groß oder klein: “Was? oder “Wie?”
Wie entscheidet man sich zwischen Groß- und Kleinscheibung, insbesondere, wenn man es mit einer Doppelexistenz zu tun hat? Gerade in solchen Fällen ist nicht mehr klar zwischen Wortarten zu unterscheiden, die Groß- oder Kleinschreibung begründen. Das trifft zu, wenn man formelhaft anmutende Begriffe schreiben muss, oder solche, deren figürlicher Gehalt verblasst ist, weil er durch eine Übertragung ersetzt ist.
Derartige Zweifelsfälle finden sich bei Wörtern, die in zweierlei Art vorkommen. Das betrifft Adjektive, die auch Substantive sind wie recht – das Recht, arg – der Arg, gut – das Gut, linnen – das Linnen, ernst – der Ernst, gehorsam – der Gehorsam, laut – Laut, wild – das Wild u. ä. Das gilt ebenso für Partikeln, die als Substantive geläufig sind, wie schuld, gram, leid, not, angst, bange, freund, feind, schade u. a [1] Das figürliche “Paar” für zwei zusammengehörige Wesen oder Dinge und die Bezeichnung für eine geringe Menge lässt sich entsprechend erklären.
Die Frage, mit der man das fragliche Wort ermittelt, lautet entweder “Was?” oder “Wie?”. Die Antwort, die auf die Frage “Was?” mit einem Substantiv antwortet, zeigt noch ein weiteres Merkmal: Ein Substantiv kann ein Attribut haben, das sich in Genus, Numerus und Kasus darauf bezieht [2], also ein Adjektiv, einen Relativsatz oder eine Apposition. Auf die Frage “Wie?” antwortet das kleingeschriebene Pendant, ein Adjektiv oder ein Adverb. Beide werden durch ein – unveränderliches – Adverb, oft eine Grad-, Verstärkungs- oder Abtönpartikel wie sehr, besonders, ganz, recht näher bestimmt.
Formuliert man also die Frage nach dem “Was”, erhält man zur Antwort ein Substantiv und schreibt das fragliche Wort folglich groß. Ist aber die Frage nach dem “Wie” angezeigt, so antwortet ein kleinzuschreibendes Wort, ein Adjektiv oder Adverb, das auch im Satz eine beschreibende Funktion hat.
Satzbeispiele:
Arg oder arg?
Er ist ohne Arg.
Ohne was ist er?
Er ist arg lädiert.
Wie ist er?
Ärger oder ärger?
Er macht Arger.
Was macht er?
Die bösen Buben neckten ihn noch ärger als zuvor.
Wie necken sie ihn?
Ernst oder ernst?
Es ist sein Ernst.
Was ist es?
Es ist ihm ernst.
Wie ist es ihm?
Schade oder schade?
Es ist schade.
Wie ist es?
Es soll nicht dein Schade sein.
Was soll es nicht sein?
Laut oder laut?
Der Hund gibt Laut.
Was gibt er?
Das Gebell ist laut.
Wie ist es?
Feind oder feind?
Er ist mir feind.
Wie ist er mir?
Er ist mein Feind.
Was ist er?
Recht oder recht?
Es ist (sein gutes) Recht.
Was ist es?
Es ist (mir) recht (so).
Wie ist es ?
Not oder not?
Was herrscht?
Es herrscht/ ist (bittere) Not.
Wie steht es (um ihn)?
Es tut (ihm) Hilfe (bitter) not.
Angst oder angst?
Sie hat Angst.
Was hat sie?
Ihr ist angst.
Wie ist ihr?
Sowohl Not – not , Recht – recht als auch Angst – angst lassen sich in zweierlei Arten verstehen: “Es ist Not/not.” kann bedeuten “Es herrscht Not.”, andererseits auch “Es ist nötig.” “Du hast Recht/recht.” kann man auslegen als “Du hast das Recht auf deiner Seite.” wie auch “Du hast sehr recht.”. Dass hier nun die Frage “Wie?” lauten muss, ist erkennbar an der Partikel sehr, die kein Substantiv verstärken kann. “Es macht mir Angst/angst und Bange/bange.” ist ebenso in zweierlei Sinn zu verstehen. Bei der Frage “Was?”wäre eine Erweitwerungsmöglichkeit “große Angst und Bange.”, bei “Wie?” “Es macht mir ganz angst und bange.”.
[1]Kopulapartikeln
Vgl.dazu
http://www.blog1.institut1.de/kopulapartikeln/
“Kopulapartikeln haben substantivische Gegenstücke, deren verblasste Abbilder sie sind: (bitter)leid , schuld, feind (spinnefeind), freund (gut freund), (ganz) angst (und) bange, not, (sehr) recht, ernst, schade (jammerschade), tabu, willens, bankrott und pleite. [2] Es sind die gleichlautenden Substantive Leid, Schuld, Feind, Freund. Angst, Bange, Not, Recht, Ernst, Schade(n), Tabu, Willen, Bankrott, Pleite, aus denen sie sich bedeutungsmäßig erschließen.”
[2] GNK-Kongruenz
Vgl. dazu
http://www.blog1.institut1.de/genuskongruenz/
Gunhild Simon
Okt 06 2012
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