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Großneumarkt und Gängeviertel in Hamburg - das Leben nach den Zeiten der Cholera

Der Großneumarkt, Kern der Neustadt, heute ein Zentrum der Hamburger Kneipen- und Kaffeehausszene, ist der Hintergrund für berühmte historische Figuren und Erzählungen.

Hier wuchs Johannes Brahms (1833-1897) auf. Schon als Kind trat er an der Seite seines Vaters als Straßenmusikant und in Tanzlokalen auf, bevor er als Komponist berühmt wurde und schließlich in das musikalische Mekka seiner Zeit, nach Wien übersiedelte.

Hier stand die Imbissbude, deren Wirtin aus der Not des Krieges eine Tugend machte und die Curry-Wurst erfand oder entdeckte. Allerdings ist der Wahrheitsgehalt dieses Details in Uwe Timms Novelle “Die Endeckung der Curry-Wurst” von 1993 eher zweitrangig. Dass also an Curry in Hamburg zu gelangen naheliegend ist, kann jeder bestätigen, den einmal eine Hafenrundfahrt durch die Kanäle der Speicherstadt geführt hat. Denn hier vermischen sich unverkennbar alle Düfte des Orients.

Curry ist eine Gewürzmischung, die gleich dem Tee die Engländer aus ihren indischen Kolonien importiert haben. Dass Lebensmittel früher in der Kolonialwarenhandlung erstanden wurden, liegt daran, dass viel von dem, was heute in unserer Küche selbstverständlich erscheint, nicht auf heimischer Scholle gewachsen ist. Tee, Kaffee, Gewürze, Schokolade, Zucker, Nudeln, Reis, ja, sogar die deutscheste aller deutschen Sättigungsbeilagen, die Kartoffel, ist jung hierzulande unter den Lebensmitteln. Und natürlich gab es neben der Kolonialwarenhandlung den Milchmann für Milch und Milchprodukte, den Grünhöker für Obst und Gemüse, den Metzger für Fleisch und Wurst und den Bäcker für Brot und Kuchen.

Aber zurück zum Großneumarkt und dem Gängeviertel! Gängeviertel - der Name weist darauf hin: Hier gab es keine großzügig angelegten hanseatischen Bürgerhäuser, Bürgersteige zum Flanieren. Hier findet man immer noch, ungewöhnlich für Hamburg - Winkel, Bögen, Gassen und Gänge.

Hier fiel in dem heißen Sommer 1892 eine besonders große Anzahl von Menschen der Cholera zum Opfer. In den unhygienischen Wohnungen hatte die Seuche, Folge verunreinigten Elbwassers, leichtes Spiel.

Robert Koch traf am 24. August (1892) in Hamburg ein. Er berichtete nach Berlin: “Ich habe noch nie solche ungesunden Wohnungen, Pesthöhlen und Brutstätten für jeden Ansteckungskeim angetroffen wie in den sogenannten Gängevierteln, die man mir gezeigt hat, ….” Sein vernichtendes Urteil über Hamburg gipfelte in dem Satz: “Meine Herren, ich vergesse, daß ich in Europa bin.” (Wikipedia)

Dies ist der andere literarische Schauplatz, den das heutzutage heimelig anmutende Viertel rund um den Großneumarkt abgab. Rudolf G. Binding beschreibt in seiner Novelle “Der Opfergang” von 1912, deren Hintergrund die Cholera-Epedemie bildet, den krassen Gegensatz zwischen der drangvollen Enge des Gängeviertels und der lichten Großzügigkeit der alsternahen Bürgerviertel.

Gunhild Simon
27.04.2008

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