Grundzüge einer Rede – mit Herz und Verstand, mit Absicht und Ziel
Kann der Redner überzeugen? Rhetorische Figuren sind Redemittel, Stilmittel, die die Rede würzen. Sie alleine machen aber keine gute Rede aus, sie sind notwendige und nicht hinreichende Bedingungen.
Herz und Verstand
Eine Rede hat einen inhaltlichen Kern. Um diese Wahrheit
auszudrücken bedarf es der rhetorischen Mittel. Denn die Rede hat die
Zustimmung des Hörers zum Ziel. Doch dabei bedient sie sich nicht nur
rationaler Argumentation, weil sie neben dem Verstand auch die
emotionalen Kräfte des Hörers ansprechen will. Aus dem Zusammenwirken
von verstandesmäßiger und gefühlsmäßiger Ansprache soll Akzeptanz,
Zustimmung und Überzeugung erwachsen.
Die auch heute noch gültigen Grundzüge der Aufgaben eines Redners
fasst Quintilian (führender römischer Rhetoriker, 30 – 96 n.Chr.) in
seinem pädagogisch-rhetorischen Hauptwerk »institutio oratoria«
zusammen. Danach soll eine Rede »beweisen und belehren« (probare et
docere), »erfreuen und gewinnen« (delectare et conciliare), »bewegen und
aufstacheln« (movere et concitare). Daraus geht hervor, dass dem Redner
bewusst beinflussende Mittel zugestanden werden, um seine Hörer zu
erreichen. Aus der Idee der Überschneidung von Pädagogik und Rhetorik
wird dies verständlich.
Bundespräsident Horst Köhler (c) dcic
Absicht und Ziel
Mit einer Rede wird eine Absicht verfolgt. Diese gilt es zunächst
zu erfragen. Dabei sind drei Fragen von Bedeutung: Wem dient die Rede –
der Aufwertung der eigenen Position, der Abwertung der gegnerischen
oder dem Ausgleich gegensätzlicher Sichtweisen? Diese Grundmotive
bestimmen die Färbung der sprachlichen Mittel, den Stil der Sprache. Der
Redner beabsichtigt, seinen Hörer zu beeinflussen – zu gewinnen.
Folglich wird er nach sprachlichen Mitteln greifen, die seine Position
aufwerten, dagegen wird er zur Herabsetzung des Gegners solche wählen,
die dessen Auffassungen in ungünstiges Licht rücken. Der Beschwichtigung
schließlich dienen eher vage, versöhnliche Formulierungen, die weder
dem einen noch dem anderen Lager schaden sollen. So gesehen können Worte
zu Waffen werden, die mehr oder weniger scharf treffen, sie können
jedoch auch schmeicheln. Dafür gibt es viele Wortbilder: anherrschen,
harscher Ton, treffsichere Worte, Worte, die mitten ins Herz, wie ein
Pfeil, wie ein Beil treffen, messerscharf argumentieren, einlullen, in
Sicherheit wiegen, in Watte packen.
Bundespräsident Horst Köhler (c) dcic
Kontext, Konstellation, Struktur und Position
Um den Aufbau einer Rede zu beurteilen, sind bestimmte
Beurteilungskriterien zu betrachten und einzuordnen. Aus dem
historischen, gesellschaftlichen oder politischen Zusammenhang und der
konkreten Situation, in der die Rede gehalten wurde, lässt sich die
Redekonstellation entnehmen. In einem nächsten Schritt werden die Ziele
des Redners untersucht. Diese Analyse muss berücksichtigen, dass seine
Absichten möglicherweise – verhüllt unter dem Deckmantel von Lüge oder
Verschleierung – zu entlarven sind.
Die Untersuchung von Prämissen, Thesen, Begründungen und
Schlussfolgerungen legen die Struktur der Argumentation offen. Daran
schließt sich eine Einordnung der sprachlichen Mittel an, also
rhetorische Figuren, Wortwahl, Satzbau, Stilmittel und Stilebene. Ein
weiterer Aspekt ist die Selbstpositionierung des Redners und die Rolle,
die er seinem Publikum zuweist.
Diese Fragen sind oft kein ausdrücklich dargelegter Gegenstand,
sondern sie müssen aus Anreden und Wortwahl interpretiert werden. In
einem zusammenfassenden Ausblick, der »conclusio«, ist die
Schlussfolgerung, die sich schlüssig aus den vorangegangenen Ergebnissen
begründen sollte, darzulegen. Hier können und sollen die stärksten
Argumente, die diesen Standpunkt stützen, wiederholt herausgestellt und
bewertet werden.
Konklusion
Eine Rede ist im Unterschied zu geschriebenen Texten ein
vollständiger Akt der Kommunikation. Ihr Ziel ist die Zustimmung des
Hörers. Dafür bedient sie sich rhetorischer Mittel. Dies sind
Instrumente, die den Hörer gedanklich und gefühlsmäßig ansprechen
sollen. Eine gute Rede spricht Herz und Verstand an. Um die wahren
Absichten zu erfassen, müssen die Inhalte auf ihren Gehalt hin
untersucht werden. Dazu ist eine Analyse der sprachlichen Mittel
hilfreich. So wie eine Rede eine Zusammenfassung verlangt, so wird eine
abschließende Bewertung auch von dem verlangt, der die Rede beurteilt.
Ergänzende Information: [werner.stangl]s arbeitsblätter
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Gunhild Simon
16. Mai 2007
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