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Hamburg St. Nikolai - Kinder an die Macht?

In der Hauptkirche St. Nikolai am Klosterstern wurde ein besonderer Gottesdienst gefeiert. Er sollte einem großen Sommerfest vorausgehen. Eine Feier mit dem gesamten Pastorat, dem Knabenchor und einer entsprechend ansehnlichen gemischten Gemeinde.

Dazu waren als Ehrengäste auch die Hamburger Kinderbischöfe eingeladen. Das Projekt der Kinderbischöfe wurde in der Nikolaikirche ins Leben gerufen. Dahinter steht der Gedanke, auch Kinder in ihren Meinungen und Bedürfnissen ernstzunehmen und ihnen zu ermöglichen, im gesellschaftlichen und kirchlichen Leben mitzuwirken, kindliche Interessen zu vertreten, sich für Belange benachteiligter Kinder und für von Erwachsenen Übersehenes einzusetzen. Ihnen wird kraft ihres Amtes eine Autorität zugemessen, die ein Gegengewicht bilden soll zur Bürokratie der Erwachsenenwelt.

Der Gottesdienst beginnt mit dem feierlichen Einzug der Pastoren und Kirchenvorsteher, in ihrer Mitte drei Kinderbischöfe, ausgestattet mit liturgischem Ornat - Umhang, Mitra und Bischofsstab. Die Gemeinde erhebt sich und wendet sich ehrerbietig zu den Einziehenden. Ein bewegender Augenblick!

Im Lauf des Gottesdienstes wird, die Rolle der Kinderbischöfe als Botschafter der Kinder betonend, ein Interview mit den Kindern, die dieses Amt buchstäblich bekleiden, herbeigeführt.

Dieses Interview ist natürlich inszeniert. Die Kinder kennen die Choreographie, lesen ihre Antworten von vorbereiteten Zetteln ab. Bis dahin konnte ich folgen. Jedoch schauderten mich ihre Worte. Das waren keine Kinder, die da sprachen. Es waren Karikaturen von Erwachsenen, die hohle Phrasen im Stil von einstudierten Fernsehszenen mit vertreterischem Engagement vortrugen, formelhafte Worthülsen naiv übernommen hatten:

- Könnt ihr uns etwas über eure Arbeit berichten?

- Gerne.

- Was bedeutet euch eure Arbeit als Kinderbischöfe?

- Diese Arbeit ist eine große Herausforderung.

- Was gefällt euch an dieser Arbeit?

- Dass man sich Herausforderungen stellen muss und Einsatz für ein Projekt zeigen muss.

Es folgte ein Beispiel, in dem sie benannten, dass es ihre Aufgabe sei, sich für eine Sache oder gegen eine Ungerechtigkeit einzusetzen. Ungesagt blieb, wie sie ihr Einwirken gestalteten. Erwachsene schreiben Briefe, Eingaben. Diese Kinder werden vielleicht auch Briefe schreiben. Diktierte Briefe?

Gunhild Simon
7.07.2008

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