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Heimeliges und Heimliches

Ist die Rede von “dem Geheimen Rath”, dem Geheimrat, dann kommt nur einer in Frage: In der Literatur ist dies gleichbedeutend mit Goethe.[1] Hier hat geheim nicht die Bedeutung von heimlich, wie es unser heutiges Sprachgefühl nahelegt, sondern von vertraulich. Dieser Inhalt steckt auch in der Bezeichnung Sekretär. Englisch und französisch secret [2] bedeutet verborgen, geheim, vertraulich. Der Geheime Rat, der Staatssekretär, ist der ins Vertrauen gezogene Ratgeber seines Dienstherrn.

Heimlich, mittelhochdeutsch heim[e]lich, hieß neben vertraut, zum Heim gehörig, einheimisch, daraus übertragen vertraulich, geheim, verborgen. Aus der ursprünglichen Bedeutung des Vertrauten erklärt sich die Gegenbildung unheimlich.

Heim, mittelhochdeutsch heim, ist Inbegriff des Vertrauten. Heim bedeutete ursprünglich “Ort, wo man sich niederlässt, Lager”. Das Wort erstarrte schon früh zu dem adverbiellen heim, englisch home, nach Hause und daheim, zu Hause.

Übertragen findet es Anwendung in den verhüllenden Wörtern für sterben und Tod, heimgehen und Heimgang. Eine andere Art der Übertragung ist Heimsuchung, heimsuchen, in feindlicher Absicht aufsuchen, das sich aus dem mittelhochdeutschen heimsuochunge, Hausfriedensbruch, Überfall, ergibt. Heimzahlen, zurückzahlen, bedeutet übertragen vergelten. Heimtücke, heimtückisch, hinterhältig, beschreibt die heimliche oder hämische Niederträchtigkeit, das Vertrauen des Opfers auszunutzen. Ein ironisch verzerrtes Bild des fürsorglichen nächtlichen Heimbegleitens mit einer Lampe ist das Verb heimleuchten für zurechtweisen.

Zu Heim gehört weiter Heirat, ursprünglich die Hausbesorgung, was noch an dem Grundwort Rat, erkennbar ist. Zusammensetzungen mit -rat tragen eine Bedeutung von Besorgung, Sorge, wie in Gerät, Hausrat und der Umkehr Unrat erkennbar ist.

Damit steht seinerseits geheuer, vertraut, heimelig, mittelhochdeutsch gehiure, hold, freundlich, in Verbindung. Dieser Zusammenhang zwischen geheuer und hold erscheint noch in den verneinten Formen ungeheuer, ungeheuerlich, Ungeheuer und Unhold. Die Positiva als Adjektive sind veraltet und nur noch in den Wendungen “etwas ist nicht geheuer” und “das Glück ist mir (nicht) hold” üblich.

Heimat, mittelhochdeutsch heimuot[e], hat mit dem nur auf das Deutsche beschränkte Suffix -at, aus althochdeutsch -oti, eine Gemeinsamkeit mit Armut und mit Einöde.

Die Bedeutung des Vertrautseins ist erhalten in anheimstellen und anheimgeben, überlassen, anvertrauen. In heimfallen (eines Grundstücks) und (der Vergessenheit) anheimfallen, zurückgeben, liegt der Akzent auf dem angestammten Platz, der ursprünglichen Heimat. Auch heimelig und anheimelnd lehnen sich an Heimatliches, Vertrauenerweckendes an.

[1] Goethe war in Weimar Geheimer Legationsrat mit Sitz und Stimme im Ministerrat. Sein Dienstherr war der Großherzog Carl August von Sachsen-Weimar.

[2] Das Fremdwort Sekret, Absonderung einer Körperflüssigkeit, leitet sich ebenfalls aus lateinisch secernere, secretum, abschneiden, absondern, ab. Das Abgesonderte ist das Verborgene, Geheime.

Gunhild Simon
16.11.2008

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