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Herbstzeitlose - "Naked Girl" in der Oktobersonne

Man traut seinen Augen kaum, wenn sich in der Oktobersonne an geschützten Standorten zartviolette Blütenkelche öffnen. Ein Anblick wie im März, wenn der Krokus blüht. Was hier, wie in der Jahreszeit verirrt, Früling vorgaukelt, ist die Herbstzeitlose. So vielsagend poetisch ihr Name, so erstaulich die Blume. Bei ihr ist alles zeitlos - wider die Zeit - im Vergleich zu anderen.

Die Hauptblütezeit hierzulande liegt im Mai und Juni. Die der Frühblüher, die die Lichtverhältnisse unter den noch unbelaubten Bäumen nutzen, sogar schon im März und April. Nach dem Verblühen sieht man noch eine kurze Weile ihre Blätter, dann ziehen sich welkend auch die zurück, um unter der Erde ihre Zwiebeln, Erdsprossen und Knollen weiterzuentwickeln.

Die Herbstzeitlose aber hat eine ungewöhnliche Vegetationszeit. Ihr Rhythmus unterscheidet sich von dem anderer Blumen. Wie die Frühblüher gehört sie zu den Geophyten, das sind Pflanzen, die ungünstige Jahreszeiten unterirdisch überdauern. Wie sie hat sie eine Zwiebel, die sich in der Ruhephase regeneriert. Ihre blatt- und stiellosen Blüten sprießen aber im Herbst. Im Frühsommer bildet sie krautige, lanzettförmige Blätter, aus deren Mitte die Samenkapseln schauen. [1]

Die Herbstzeitlose ist bei all ihrer überraschenden Schönheit als Zierde herbstlicher Gärten und Anlagen kein ungeteilt geliebtes Gewächs. Sie ist nämlich giftig. Ihr Gift, das Colchinin ist auch in dem erst sommers wachsenden Kraut enthalten. Das erklärt die Gefahr für Mensch und Vieh. Viele volkstümliche Trivialnamen weisen auf Habitus, Blütezeit und “Tücke” der Schönen hin: Herbstvergessene, Michelsblume - ein Hinweis auf den Michaelistag am 29. September -, Winterhauch, Leichenblume, Giftblume, Giftkrokus, Teufelsblume, Nackte Jungfer, englisch: Naked Girl.

Botanisch heißt die Herbstzeitlose Colchicum autumnale. Sie stammt aus Westasien und dem östlichen Mittelmeerraum. Der Gattungsname Colchicum leitet sich von einer Gegend am Schwarzen Meer im heutigen Georgien ab, der Kolchis. Hier war die Sagengestalt Medea beheimatet, eine Giftmischerin und Zauberin der griechischen Mythologie. Der Beiname autumnalis, e bedeutet herbstlich.

Aus dem Namen Colchicum leitet sich die Bezeichnung des spezifischen Giftes ab, das die Herbstzeitlose kennzeichnet. Colchinin ist ein giftiges Alkaloid. Es ist überwiegend in Blüten und Samen enthalten, jedoch ist gerade eine Verwechslung der Blätter mit Bärlauch, einem geschätzten Wildkraut, verhängnisvoll. In der Pflanzenheilkunde hat es Bedeutung als einzig wirksames Mittel gegen Gicht, weil Colchinin Entzündungen in den Gelenken hemmt, erfordert aber eine äußerst sorgfältige Dosierung. Auch in der Homöopathie findet es Anwendung. In der Pflanzenzucht wird es als Mitosehemmer verwendet, um auf die Pflanzengröße genetisch einzuwirken.

[1] Hier findet man zahlreiche Bilder von Blüten, Blättern und sogar Samenkapseln:
[1] Wikimedia Commons - Colchicum autumnale

Gunhild Simon
31.10.2009

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