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Homonym, Homophon, Homograph – umgangssprachlich nennt man sie Teekessel

In der linguistischen Fachsprache heißen sie Homonym, Homophon, Homograph – umgangssprachlich nennt man sie Teekessel

Als Handreichung für leidenschaftliche Spieler gibt es ganze Bücher voll mit solchen Zwillings-Begriffen. Hier beschäftigen wir uns mit der Verschiedenartigkeit dieser Besonderheiten, die auch den Schreibenden ratlos – nicht radlos – machen können.

Der Oberbegriff ist homonym (gleichnamig), also in Lautung und Schreibung übereinstimmend, jedoch in Bedeutung und grammatischen Merkmalen unterschiedlich. Unterkategorien davon sind homograph/homograf (gleichgeschrieben) und homophon/homofon (gleichklingend).

Homonym, Homophon, Homograph

Homonyme, z. B. der Hut (Kopfbeckung)/die Hut (Schutz), führen gleiche Begriffe für verschiedene Dinge an, unabhängig davon, ob sie in übertragener oder figürlicher Bedeutung, in Klang oder Wortbild übereinstimmen.

Homographe, z. B. arm (mittellos)/der Arm (obere Extremität) zeichnen sich durch ihre signifikante formale Übereinstimmung in Klang und Schreibweise aus, der dennoch keine gemeinsame Herkunft zugrundeliegen muss. Denn arm (ahd., mhd. arm) hat den ursprünglichen Sinn verwaist, während der Arm als Lehnwort zu verstehen ist, dessen Bedeutung sich vornehmlich aus seiner Funktion als Waffe und Werkzeug erklärt (ahd., mhd. arm; lat. armus, Schulterblatt; lat. arma, Gerätschaft, Waffen; franz. armes, Waffen; engl. arm, Arm, Waffe).

Homophone z. B. Lied/Lid unterscheiden sich in einem Detail ihrer Schreibung, nicht aber in ihrer Aussprache voneinander. Oft haben sie eine unterschiedliche Herkunft. So entstand Lied aus mhd. liet, während Lid sich aus mhd. lit, Deckel, Verschluss herleitet.

Betrachten wir das homonyme Beispiel Grat/Grad. Zunächst bildet es lediglich Homophone ab, denn inhaltlich sind beide voneinander geschieden. Dennoch ist jedes der beiden für sich genommen wiederum ein Homograph, denn mit dem Wechsel des Genus – der Grad/das Grad, der Grat/das (Rück-)grat – ändert sich jeweils die Bedeutung.

Manchen wurde erst durch die differenzierte Schreibung zur Selbständigkeit verholfen z. B. der Laich. Dies Wort mit der Bedeutung »Ei-Ablage im Wasser« wurde zunächst mhd. leich (Liebesspiel, Gesang) geschrieben. Eine Schreibung mit ai kam erst im 18. Jahrhundert auf, um ein Unterscheidungsmerkmal zu die Leiche (»toter Mensch«) zu schaffen. Entsprechend verhält es sich mit der Schreibung der Leib (Körper)/der Laib (Brot). Letzteres wurde ursprünglich ahd. leib geschrieben. Auch Laib geht auf ein ahd. Wort leib, mhd. leip (»gesäuertes Brot«) zurück. Stadt/Statt, wieder/wider haben identische Wurzeln, jedoch unterschiedliche Schreibungen, um ihre jeweiligen Bedeutungsmerkmale hervorzuheben. Andere sind aus anderen Sprachräumen in Vermischung mit anderen Ursprüngen zurückgekehrt, z. B. Bord, Borte, Bordüre, (über)borden, aus ahd. bort, engl. board (vgl. Duden Das Herkunftswörterbuch 2006).

Solche Schreibungen sind eine Herausforderung, ja auch Hürde, beim Erlernen der Schrift. Sprachverständnis ist der Schlüssel zur Orthografie.

Viele Begriffe sind so verschiedenartig zu füllen, dass sie nicht nur in der Alltagssprache, sondern auch in der Literatur und in den Fachsprachen vielfältig verwendet werden, wie z. B. Raum, Zeichen, Stück, Stätte, Boden, Strahl, Stand, Winkel.

Während »Teekesselchen« fast beliebig durch die Übertragung von realen zu bildlichen Bedeutungen zustandekommen, wie z. B. Schloss, Bauer, Hahn, Decke, Mantel, Welle, Leiter, Kammer, zeigt sich auch bei genauerer Betrachtung vieler nicht so augenfälliger Beispiele ein sehr schlichter gemeinsamer Nenner als Ursprung ihrer Bedeutung, die, neuen Bedürfnissen folgend, jeweils spezifisch angepasst wird, z. B. Flieger, Taxe, Menu, Schirm.

Aus diesem Grund betrachtet die heutige Sprachwissenschaft diese ausschweifende und vielfältige Gruppe von Wörtern, die strenggenommen einer Übertragung entspringen, nicht mehr als homonym.

Des Weiteren sollen einige Beispiele die unterschiedlichen Aspekte verdeutlichen.

Homonyme:
die Bank (Sitzgelegenheit), Plural: die Bänke; die Bank (Geldinstitut), Plural: die Banken
der See (Binnengewässer), Plural: die Seen; die See (das Meer)
der Kiefer (Gebiss), Plural die Kiefer; die Kiefer (Nadelbaum), Plural: die Kiefern

Homophone:
die Lerche, die Lerchen (Vogel); die Lärche, die Lärchen (Nadelbaum)
das Rad, die Räder (Transportmittel); der Rat, die Ratschläge, die Räte (Empfehlung, Beamtentitel)
die Wahl , die Wahlen (Votum); der Wal, die Wale (Meeressäuger)

Homographe:
alt (betagt); Alt (Stimmlage aus lat. hoch/tief)
fort (weg); das Fort (franz. die Festung)
Pflaster (Wundauflage, Straßenbelag) aus mlat. emplastrum, Wundpflaster, zementierter Fußboden, griech. émplastron das Aufgeschmierte

Abkürzungen:
mhd. = mittelhochdeutsch
ahd. = althochdeutsch
lat. = lateinisch
engl. = englisch
franz. = französisch

Gunhild Simon
18.11.2010

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