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Homunculus

Unter Homunculus versteht man nicht nur eine rein sprachliche Verkleinerung von Mensch zu Menschlein, sondern das Wort spielt auf Existenzielles an, das auf einer metaphorischen Ebene die Kleinheit, Vergänglichkeit und Schwäche menschlichen Seins beschreibt, und die damit verbundene Aufforderung zur Demut.

In diesem philosophischen Zusammenhang ist der Plural Homunculi sicher recht am Platz.

In der ZEIT [1] findet sich ein grobschlächtig anmutender, un-ZEIT-gemäßer Plural, ein wahres Wortgetüm. Gibt dies den Verfasser der Lächerlichkeit wegen Unbildung preis? Es geht in dem Artikel um eine Übertragung des schwachen, hinfälligen Menschenbildes auf schwächliche, anfällige Autos, vergleichbar mit dem herablassenden Wort “Leukoplastbomber”, wie der Lloyd von Borgward sich seinerzeit nannte, eine rhetorische Figur [2], Ironie.

Es handelt sich um das Wort Homunkulusse.

Hier ging es nicht primär um Nachbauten, Kopien oder Klone - nein, der Akzent, der gerade durch das zunächst widersinnige Fremdwort gesetzt wird, ist Stilmittel. Ein gewollter und bewusster Bruch.

Der Gesamtzusammenhang ist die schlechte Qualität russischer Automobile und der Zuzug ausländischer Firmen, speziell der von VW. Sie haben das Ziel, sich den ungesättigten Automarkt und den Qualitätsbedarf der Käufer zunutze zu machen. Vor diesesem Hintergrund ist das Zitat zu betrachten, das Moskowitsch-Werk in Moskau habe in seiner Blütezeit jene 110.000 Nachbauten - Homunkulusse - des Opel Kadett produziert, “die hohe Anforderungen an die Bastelkünste ihrer Besitzer stellten”. [1]

Hier kommt zum Ausdruck, welcher Murks - Metapher dafür ist der schnell hinweggeraffte Mensch, der Homunculus - dabei herauskam. Wenn man dies jedoch satirisch ausdrücken wollte, wäre der korrekte lateinische Plural - auch noch mit /c/ geschrieben - kontraproduktiv für die Sprachebene. Murks kann man nur durch das bewusst durchsichtige “Homunkulusse” wiedergeben. In diesem Zusammenhang hätte der Verfasser mit dem hochtrabenden Plural “Homunculi” seine kritische Distanz aufgegeben.

[1] DIE ZEIT Nr 35 vom 21.8.08, S.25

[2] Magazin Deutsch: Rhetorische Figuren – ein Begriff, der nur vordergründig Rätsel aufgibt

Gunhild Simon
3.09.2008

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