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Im Folgenden oder im folgenden? Ohne Weiteres oder ohne weiteres? Substantivierung oder Adverbsurrogat?

Immer wieder ergeben sich Unsicherheiten, wie Fügungen und Wortgruppen, die Merkmale einer Substantivierung aufweisen, zu schreiben sind. Groß- oder Kleinschreibung ist hier nicht ohne Überlegungen oder Nachschlagen abzulesen.

Beidem will ich hier nachgehen.

Die Regel zur Großschreibung im Deutschen lautet: Groß geschrieben werden Satzanfänge, Substantive und Eigennamen. Handelt es sich also um Substantive, zu denen auch Substantivierungen zählen? Oder haben diese in Fage stehenden Wortgruppen nur formale Merkmale eines Substantivs – ein vorangestelltes Pronomen, einen Artikel oder ein Artikelwort [1]? Eine ganze Reihe von Wortgruppen nach diesem Muster - des weiteren oder des Weiteren, im übrigen oder im Übrigen? – steht auf dem Prüfstand.

Einerseits erscheint die Kleinschreibung vertraut, andererseits scheint sie nicht recht begründbar. Die Großschreibung als ein Resultat der Rechtschreibreform hat längst die Altschreibüberlegungen, die kompliziert genug klingen, überlagert mit dem vordergründigen Argument, es handele sich um eine schlichte Substantivierung.

Als vordergründig bezeichne ich es, weil die Regel der Kleinschreibung einer scheinbaren Substantivierung erhalten geblieben ist. Sie besagt, dass ein mit einem Artikel oder Pronomen versehenes Adjektiv, Partizip oder Adverb kleingeschrieben wird, obwohl es formal wie ein Substantiv erscheint. In Wirklichkeit ist es jedoch ein Attribut des vorangegangenen oder nachfolgenden Substantivs.

Beispiele:

Dies ist mein Sohn. Er ist der jüngste (meiner Söhne).
Die beiden älteren (meiner Söhne) sind schon berufsttätig, während mein jüngster Sohn noch studiert.

Schriebe man hier “der Jüngste” oder “die beiden Älteren” so ginge der attributive Bezug verloren. Die beiden älteren Söhne würden zu “Älteren”, also Greisen.

Nun zu dem anderen Rechtschreibfall, der allerdings in den Vorschriften der Rechtschreibreform neugeregelt ist. Auch wenn man sich an diese – wie hier schon aus Gründen der Validität – halten will oder muss, bleibt es sinnvoll, die Begründungen zu kennen, um bewusst damit umzugehen.

Die dazugehörige Altschreibregel findet sich in den Vorbemerkungen zur Rechtschreibung des Großen Dudens, Bd. 1, 16. Aufl., 1967: 5. R(andnummer) 134 b):

Eigenschafts-, Mittel- und Umstandswörter (i.e. Adjektive, Partizipien und Adverbien G.S.) werden auch dann klein geschrieben, wenn [ihnen ein Geschlechtswort oder Fürwort (i. e. Artikel oder Pronomen G.S.)vorangeht und] sie für ein Eigenschafts-, Mittel- oder Umstandswort ohne Geschlechts- oder Fürwort stehen.

Beispiele:
des weiteren (= weiterhin),
am besten (= sehr gut)
aufs neue = wiederum)
in folgendem oder im folgenden (= weiter unten)
um ein beträchtliches (= sehr)
von neuem (= wiederum)
von fern (= fernher)
Es ist das gegebene (= gegeben)
Es ist das beste (= am besten, sehr gut), wenn du dich entschuldigst
Es ist das richtige (= richtig)

A b e r: Es fehlt ihm am Besten (= an der besten Sache)

Ich füge hinzu:
im folgenden = weiter unten
im Folgenden = in den folgenden Ausführungen

Daran wird deutlich, wie nahe die abgrenzenden Bedeutungen sind.

Vereinfacht geschrieben ergibt sich daraus:

Wortgruppen, bestehend aus Adjektiven, Partizipien und Adverbien und einem vorangehenden Artikel oder Pronomen werden klein geschrieben, wenn sie ein entsprechendes Adjektiv, Partizip oder Adverb vertreten.

Beispiele:
im folgenden = weiter unten, nachfolgend,
des weiteren = weiterhin, weiters
ohne weiteres = durchaus
des eingehenden = eingehend
im übrigen = übrigens
im allgemeinen = allgemein
im wesentlichen = wesentlich
im allgemeinen ( = verallgemeinernd, allgemein gesprochen)

Bleibt die Frage: das Folgende, Nachfolgendes, alles Weitere, das Neueste, das Allgemeine, das Nächstliegende, das Wesentliche – groß oder klein?

Hier ist die Kleinschreibung dann erforderlich, wenn es einen attributiven Bezug gibt:
Alle wesentlichen Punkte wurden besprochen. Die übrigen ( Punkte) werden vertagt.
Alles Wesentliche wurde besprochen. Das übrige (Wesentliche) wurde vertagt.

Hier sind die unterschiedlichen Schreibweisen an Beispielen gegenübergestellt:
Es wurde Folgendes (= die folgenden Punkte) vereinbart. Es wird im folgenden (= nachfolgend) aufgelistet.
Das Weitere (= die weiteren Punkte) ist verhandelt. Es wird im weiteren (weiterhin, weiters) unter der Abkürzung xy angeführt..

Um abschließend die Frage des Titels zu klären: Der aktuelle Duden schreibt im Folgenden vor. Er erlaubt ohne weiteres und empfiehlt – gelb unterlegtn – ohne Weiteres.

[1] Glossar:
Substantiv = Hauptwort, Namenwort, Nomen
Substantivierung = durch bestimmte Merkmale – bestimmter Artikel – zum Substantiv erhoben
Adjektiv = Wiewort, Eigenschaftswort, meist attributiv gebraucht und daher dem Substantiv in der Endung angepasst (z. B. der schöne Hund, ein schönes Kind). In prädikativem Gebrauch ist das Adjektiv unveränderlich (z. B. Der Hund ist schön.Ein schönes Kind).
Adverb = Umstandswort, das die näheren Umstände, unter denen Geschehnisse, Tätigkeiten usw. stattfinden, beschreibt.
Pronomen = Fürwort, das ein Nomen ersetzt
Präposition = Verhältniswort. Es gibt vorangestellt einen Hinweis auf das Verhältnis an, in dem Sachverhalte zueinander bestehen.
Artikel = ein das Substantiv/ Nomen bestimmendes Geschlechtswort
Artikelwort = ein den Artikel im Zusammenhang mit einem Substantiv/ Nomen ersetzendes Wort, ein Demonstrativpronomen (z. B. dieser, jener, jeglicher, derjenige), das teils der Artikelflexion, teils der eines Adjektivs oder Partizips gehorcht (“dieses Jahres, desjenigen Jahres”) oder ein unbestimmtes Zahladjektiv (z. B. kein, jeder, wenig, einige), das den Artikel ersetzt und in sich aufnimmt (kein Mensch – ein Mensch, das Kind – jedes Kind, wenige Menschen – die Menschen).

Gunhild Simon
Apr 19 2011

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