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Im Räderwerk des Bildungsgetriebes - Hermann Hesses Erzählung Unterm Rad - ein Hörbuch

Hermann Hesse thematisiert die Bitternisse der Jugend. Er ist der Dichter des Aufbegehrens, der Melancholie und des Scheiterns.

In dem Roman “Unterm Rad” geht es um um all das - beklemmenderweise besonders um das Scheitern. Dies ist umso bedrückender, als es einen jungen Menschen mit zwar schwacher körperlicher Konstitution, aber wachem, aufnahmefähigen Geist, ja, sogar brennendem Ehrgeiz betrifft, der den Anforderungen seiner Umwelt nicht Genüge tut.

Die Gefühlswirren der Pubertät bescheren ihm die innige Freundschaft zu einem Ungepassten, einem Verfemten. Während seines Abstiegs vom strebsamen Primus zum Verworfenen wenden sich alle Gönner von ihm ab, enttäuscht über unerfüllte Erwartungen. Sein Lebensweg verläuft sich im Unerheblichen.

Bloß nicht matt werden - sonst kommt man unters Rad

Hans Giebenrath, mutterloses Einzelkind in einer einfachen, schwäbisch-pietistischen Umgebung aufgewachsen, hochbegabt und ungewöhnlich feingeistig und zartgliedrig, aber lenkbar, strebsam, ehrgeizig, blickt nach der mustergültig bestandenen Aufnahmeprüfung im klösterlich humanistischen Internat einem unstandesgemäß vorgezeicheten Lebensweg mit dem Ziel eines erhöhten Platzes auf Kanzel oder Katheder entgegen.

Jedoch löst er die Erwartungen seiner Gönner nicht ein. Alle wohlwollende Unterstützung weicht, als er pubertätsbewegt auf der Suche nach eigenen Maßstäben aus dem Tritt kommt. Sein Versagen wird nicht geduldet. Zurückgekehrt in die ignorante, ablehnende Welt seiner Kindheit findet er keinen tragfähigenen Halt mehr. Sein Lebenslicht erlischt - zufällig oder aus Verzweiflung?

“Bloß nicht matt werden - sonst kommt man unters Rad”, mahnt der Hebräischprofessor halb aufmunternd halb drohend den merkwürdig gedankenabwesenden Musterschüler. “Unterm Rad”- der Titel bedeutet, krasser ausgedrückt, “unter die Räder gekommen” oder “zwischen Mühlsteinen aufgerieben” zu sein. Selbst das Bild des “Rädchens im (Bildungs)-Getriebe” oder des schweren “Im-Rad-Gehens” eines schuftenden Arbeitstiers stellt sich angesichts der Anstrengungen des kaum der Kindheit entwachsenen Zöglings ein.

Die Erzählung entstand 1906, dennoch ist sie, trotz einfühlsameren Umgangs mit Heranwachsenden, trotz weniger strenger Anforderungen, heute noch aktuell und bewegend. Sie handelt von den immer wiederkehrenden Nöten des Erwachsenwerdens, von Selbstfindung und Aufrichtigkeit, von Verweigerung und Konsequenz, von Abgrenzung und Einsamkeit. Sie ist zugleich eine Verarbeitung Hesses eigener Jugend- und Schulerfahrungen. Auch Eltern der gegenwärtig heranwachsenden Jungengeneration müssen sich fragen, ob sie ihrem Sprössling Verständnis und Gerechtigkeit entgegenbringen.

Hier liegt der Roman als Hörbuch vor. Die Stimme des Vorlesers ist jung, und glaubwürdig. Einfühlsam und dezent trifft sie den Ton vom Erziehenden bis zum Zögling. Es liest Samuel Weiss.

Gunhild Simon
Nov 06 2009

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