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Imperativ - ein unscheinbarer Modus

Der Imperativ ist neben dem Indikativ und dem Konjunktiv ein Modus.

Modus heißt Art und Weise. Der grammatische Modus ist eine “Denkweise”, eine Vorstellungsebene des Verbs. Hat der Indikativ - von lateinisch indicare, anzeigen - einen “anzeigenden” Aspekt, die “Wirklichkeitsform”, so hat der Konjunktiv - von lateinisch koniungere, verbinden - einen mit bestimmten Vorgaben “verknüpften” Aspekt, die “Möglichkeitsform”.

Möglichkeitsform, der deutsche Gegenbegriff zu Wirklichkeitsform, beschreibt allerdings nur unzureichend die Funktionen des Konjunktivs.

Der dritte Modus ist die Aufforderung, die “Befehlsform”, der Imperativ - von lateinisch imperare, befehlen. Auch dieser ist ein Aspekt des finiten Verbs. Das ist die Form des Verbs, die im Gegensatz zu den infiniten Verbformen des Infinitivs oder des Partizips durch eine Personalendung fest, also unveränderlich wird.

Diese dritte Ebene wird leicht als Modus verkannt. Der Imperativ ist nämlich ein Satzmodus - er ergibt bereits einen fertigen Satz mit einer eigenständigen Aussage, sogar mit einem Satzzeichen am Ende, dem Ausrufezeichen. Als Modus ist er nicht unmittelbar erkennbar, weil er nur zwei Formen umfasst und ohne Personalpronomen auskommt. Daher umfasst er formal nur zwei eigene Strukturen, nämlich die Entsprechungen zum singulären Du und zum pluralen Ihr. Diese beiden Formen lauten, auf das Beispielverb “gehen” übertragen, “geh!” und “geht!” Sein Formenbestand wird durch Ersatzformen mit Personalpronomen ergänzt. Daneben hat der Imperativ keine Zeitebene. Dadurch werden sein Formen beim Führen durch die Tempora und Modi eines Verbs leicht übersehen.

Das Du hat einen vertraulichen Charakter, so dass in unterschiedlichen Epochen verschiedenartige Umschreibungen üblich waren. Wählt man heute die dritte Person Plural Sie als Höflichkeitsform, so verbarg sie sich früher in der zweiten Person Plural Ihr zum Zeichen des Respekts. Beides sind zwar Pluralformen, sie umschließen jedoch sowohl einzelne als auch mehrere höflich Angeredete. Zur Zeit Lessings und noch der des jungen Goethe war die Höflichkeitsform einem Einzelnen gegenüber die dritte Person Singular. Das klingt in unseren Ohren altertümlich, ist jedoch im Lichte der heute üblichen Form nur eine Frage der Konvention: “Gehe Er!”. Denn werden mehrere angesprochen, lautet die Höflichkeitsform auch heute noch Sie, also “Gehen Sie!”. Daneben galt es noch die Höflichkeit Höhergestellten gegenüber zu beachten, also die Unterscheidung in “Ihr”, “Sie”, “Er”, “du” und “ihr”.

Führt man sich vor Augen, dass man sich selbst in der zweiten Person befehlen, ermuntern oder ermahnen kann, indem man sich im Stillen sagt: “Tue ich dies!”, “Lass mich dies tun!” oder “Tu dies!” und dass dies in besonderer Weise für die erste Person Plural gilt - “Gehen wir!” oder “Lasst uns gehen!”, ergeben sich Ersatzformen mit Personalpronomen, die anstelle von nicht existierenden Imperativformen verwendet werden:

1. Person Singular: Gehe ich! Lass mich gehen!
2. Person Singular: Gehe! Geh!
3. Person Singular: Er gehe! Gehe Er!
1. Person Plural: Gehen wir! Lasst uns gehen!
2. Person Plural: Gehet! Geht!
3. Person Plural: Gehen Sie!

Gunhild Simon
13.01.2009

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