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Katheder oder Katheter?

Geschrieben unterscheiden sie sich minimal, gesprochen fast unhörbar. In ihrer Bedeutung sind sie sich fremd, auch wenn sie in ihren griechischen Wurzeln eine Gemeinsamkeit haben.

Der griechischen Vorsilbe kata- , die vor Vokalen und vor -h- kat- lautet, wohnt im weitesten Sinne die Bedeutung des Adjektivs káthetos, herabgelassen, inne.

In Kathederder oder das – erkennt man kat-, von oben herab, und hedra, Stuhl, also der erhöhte Stuhl. Darunter ist in unserem Sprachgebrauch ein Podest zu verstehen, wie es in manchen Hörsälen üblich ist, dessen erhöhte Position einen besseren Blick auf den Dozenten erlaubt. Deshalb sitzt man nur selten an oder auf dem Katheder.

Mit Katheter wird ein Röhrchen bezeichnet, das in Körperorgane eingeführt wird, z. B. Blasenkatheter oder Herzkatheter. Darin ist das griechische Verb kathienai, herablassen enthalten, gleichzeitig wiederum káthetos, herabgelassen, als Bezeichnung für »Senkblei«, Lot.

Zu Zeiten ungeteilter gymnasialer Idylle, wie sie uns der Film »Die Feuerzangenbowle« augenzwinkernd beschert, gehörte der Katheder zum Schulmobiliar. Dort saß erhöht der dozierende Lehrer. Heute ist ein Klassenraum mit Schreibtisch und Stuhl für den Lehrer ausgestattet. Nur der Name Pult lehnt sich noch an die vergangene Tradition an. Katheder, Podeste, bewähren sich heute noch in Fachräumen, die für Vortrag und Anschauung bestimmt sind. In der universitären Fachsprache erinnern Lehrstuhl und Vorlesung an frühere Lehrmethoden.

Auch die lateinische Wendung »ex cathedra«, »vom Päpstlichen Stuhl aus«, unfehlbar, unzweifelhaft, spiegelt die Autorität wider, die vom Katheder ausgeht. Daraus erschließt sich auch der Sinn der ehrwürdigen Kathedrale. Denn in »ecclesia cathedralis« zeigt sich wiederum eine lateinische Adaption, hier als das Adjektiv cathedralis, zum Sitz gehörig, bezogen auf ecclesia, Kirche. Die Kathedrale ist also die zum Bischofssitz gehörige Kirche.

Dem Wort Katheter steht Kathete nahe. Darin kommt die ursprüngliche figürliche Bezeichnung von »Senkblei« als Mittel zum Fällen des Lots zum Ausdruck. Katheten sind in der Trigonometrie die beiden Schenkel, die beim rechtwinkligen Dreieck gemeinsam den rechten Winkel bilden, von deren Scheitelpunkt aus das Lot auf die Hypotenuse fällt. Deren Länge ist nach dem Satz des Pythagoras von der Länge der Katheten bestimmt.

Beide, Katheder und Katheter, haben griechische Ursprünge. Trotz ihrer Ähnlichkeit ist es aber nur das sehr häufige Präfix kat-, herab, das sie verbindet. Umso hilfreicher kann deshalb eine Ableitung ihrer Herkunft sein.

Gunhild Simon
30.06.2009

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