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Katzenmalheur

Meine Freundin Anna* hatte an der Tür der Nachbarwohnung geklingelt, um ein Stück von der übriggebliebenen Zitronenrolle der Nachbarin zu bringen. Diese ist eine leidenschaftliche Katzenfreundin - sie versorgt eine für eine Etagenwohnung grenzwertige Zahl eingesammelter Katzentiere.

Ein Nachbarschaftsplausch entspann sich bei geöffneten Türen, und da flitzte etwas in Annas Wohnung. Man suchte, fand das entlaufene Kätzchen und wendete sich wieder dem Tagesgeschäft zu. Tags darauf meldete Annas Putzfrau, einen gelben Fleck vom weißgefliesten Küchenboden entfernt zu haben. Noch immer kein Verdacht.

Die Nachbarin beklagte indes den Verlust eines besonders schreckhaften ihrer acht Zöglinge, und man untersuchte erneut die Schlupfwinkel der katzenfreien Wohnung meiner Freundin. Man warb und lockte in Abseite und Schrank, unter Bett und Sofa. Kein Rascheln oder Kratzen noch irgendein Laut kündete von einem ungebetenen Gast. Auch in Haus und Garten, auf Hof und Straße blieb jede Anstrengung erfolglos.

Tags darauf nahm Anna in ihrer Wohnung einen strengen Geruch wahr. Wieder wurde die Nachbarin gerufen. Man griff alsbald zum Werkzeug. Die Verkleidung der Unterschränke wurde abmontiert und darunter, in der hintersten Ecke, kauerte ein Bündel Katze, ein verängstigtes persisches Wollknäuel, seit zwei Tagen lautlos und reglos - ohne Futter und Wasser.

Eine Katze hat ein gutes Gedächtnis. Diese war in einem früheren Lebensabschnitt Tierheiminsassin, eine ehedem misshandelte Kreatur. Das prägt. Die Scheu vor den Menschen bleibt. Diesmal stand sie dem Überlebensinstinkt im Wege. Anna ist viel auf Reisen. Fliesen kann man wischen, auf Nahrung kann eine Katze eine Weile verzichten. Aber zum Glück rinnt und rauscht da in Annas Flur ein nervenberuhigendes Zimmerbrünnlein.

*Name redaktionell geändert

Gunhild Simon
17.05.2008

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