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Kleider und Klamotten

Kleidung hört sich nach Konfektions- oder gar Maßkleidung an. Kleider als Begriff für alles, was man am Leib trägt - da denkt man nicht mehr an “Des Kaisers neue Kleider” oder “Kleider machen Leute”, eher an Spitzenjabots und Spitzenkragen, Kniebundhosen oder opulente Brokatjacketts im Zusammenklang mit langlockigen Perücken.

Inzwischen sind Kleider wohl eher Frauensache. In den fünfziger Jahren waren sie weitschwingend mit taillenbetonendem, breitem Gürtel und Bolerojäckchen, Cocktailkleider vielleicht. Danach gab es elegante Etuikleider.

Die Dame zog sich nach der Hausarbeit um: Dafür gab es das Nachmittagskleid. Heutzutage ist es mutig, ein Kleid oder einen Rock ohne eine lange Hose darunter zu tragen. Früher war dies eine Zwangsvorschrift in meiner katholischen Schule. Heute zeigen Frauen nicht mehr so selbstverständlich ihre Beine her. Hosen gelten als lässiger und unkomplizierter.

Kleid hat einen ganz unromantischen etymologischen Hintergrund. Mittelhochdeutsch heißt es kleit, niederländisch kleed, englisch cloth. Cloth heißt zugleich auch Tuch. Zur Herstellung von Tuch wurde fette Tonerde, Kleie, benötigt, um das Gewirk zu walken. Daraus läßt sich eine Partizipbildung “das Gekleite” ableiten.

Inzwischen hat für Kleidungsstücke ein Ausdruck Einzug gehalten, der früher etwas Altes, Abgetragenes, ja, Zerlumptes ausdrückte: Klamotten. Dieses Wort steht in der Regel im Plural und bedeutet Kleidung. Klamotten hieß ursprünglich zerbröselte Mauer- und Ziegelsteine. Übertragen im Singular, die Klamotte, bezeichnet man damit ein fades Unterhaltungsstück. Im Plural wurde es zu einem Ausdruck für ausgediente Kleidungsstücke. Es hat eine Wandlung erfahren. Während es früher abschätzig in diesem Sinne, gerade noch gut für schmutzige Arbeit, gebraucht wurde, ist es mittlerweile eine gängige, familiäre Bezeichnung für Kleidung, ja sogar für Mode.

Familiäre Begriffe sind als Alltagswörter auf einer sensiblen und labilen Sprachebene angesiedelt. Sie haben Konnotationen, Nebenbedeutungen. Das ist ein Beiklang, der sich wandelt, je nachdem, ob man sie für sich selbst oder andere gebraucht, ob sich in einem vertraulichen oder förmlichen Umfeld bewegt. Die angemessene Sprachebene richtet sich nach dem Kontext. Legere Bezeichnungen für Höchstpersönliches - Kinder, “Blagen”, Quälgeister, die Wohnung, “Bude”, unordentliche, vorläufige Bleibe, das Auto, “Kiste”, ausgedientes Gefährt, das Haustier, “Biest”, ekliges Tier, wirken nur unkonventionell, solange sie Eigenes oder zumindest Nahes bezeichnen. Bezogen auf das Hab und Gut anderer verkehrt sich ein solches Wort schnell in Unhöflichkeit.

So steht es auch um das Wort Klamotten für Kleidung. Die eigenen Sachen als Klamotten zu bezeichnen drückt aus, dass man sie nicht so wichtig nimmt. Dadurch gibt man sich uneitel, selbst wenn es sich um Teures handelt. Der scheinbar wegwerfende Ausdruck soll keine tatsächliche Abwertung, sondern Bescheidenheit ausdrücken.

Gunhild Simon
22.07.2009

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