Kommunikation – Stimme und Stridulation
Verständigung, Kommunikation, Sprache zwischen Lebewesen ist unabdingbar, denn wie sonst sollten sie zueinander finden oder sich abgrenzen?
Neben dem Anlocken sind auch Abwehr und Drohung Motive, um sich auszudrücken. Diese Signale sind sinnlich erfahrbar, rufen Reaktionen hervor – seien es Farbreize, die die Augen wahrnehmen, Geruchsspuren, die die Nase leiten, Berührungen, die das taktile Empfinden ansprechen oder Laute, die die Ohren spitzen lassen.
Auch gestische und mimische Körpersignale dienen der instinktgebundenen Kommunikation mit Artgenossen – Brutpflege, Werbung, Revierabgrenzung, Imponieren, Drohen – und der Abschreckung und Warnung von Feinden.
Echsen können fauchen, Schlangen zischen, ja, sogar klappern, Frösche und Kröten quaken mit aufgeblähten Schallblasen, Fische sind sprichwörtlich stumm, während jedoch Meeressäuger – Wale und Delphine – in für Menschen meist nicht wahrnehmbaren Ultraschallfrequenzen Töne erzeugen.
Fledermäuse, fliegende Säugetiere, stoßen unausgesetzt für Menschen unhörbare Ultraschallaute aus, die der Echolokation, der Orientierung, Beuteortung und Verständigung im Dunkeln dienen. Diese Laute werden von jedem angepeilten Objekt – Artgenosse, Beutetier oder Hindernis – gleich einem Echo reflektiert, aufgefangen und cerebral verarbeitet.
Ausgeprägte Stimmen zum Zweck der Kommunikation haben in der ganzen großen Tierwelt nur Vögel und Säugetiere – Laute, die jubilierend, klagend, drohend, zeternd oder lockend aus den vielfältigsten Kehlen dringen. Die Töne werden im Kehlkopf zwischen zwei Membranen, den Stimmbändern, hindurchgepresst und erzielen unterschiedliche Tonhöhen durch das Anspannen der Muskeln, die die Membranen halten. Resonanzräume im Kehl-, Rachen- und Brustbereich verstärken sie zur eigentlichen Stimme.
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Grille |
Foto: Wilhelm Schrott |
© w.schrott / PIXELIO |
Insekten erkennen wir an ihrem Summen, Sirren, Brummen oder Flattern. Doch an warmen Sommerabenden, besonders im Süden, gibt es Konzerte zu hören, die auch von Insekten aufgeführt werden. Die durchdringenden Laute stammen von Schrecken, Grillen, Heimchen und Zikaden, überwiegend ganz unscheinbaren Tieren, die wir eigentlich nie zu Gesicht bekommen, anders als Heuschrecken oder als die riesige, bedrohlich erstarrt scheinende Gottesanbeterin, die zu den Schrecken zählt. Schrecken heißen sie, weil sie, eben noch eins mit ihrer grünen Umgebung, mit überdimensionalen Sprungbeinen katapultartig hochschnellen, sodass man erschrocken zurückweicht.
Einige Insekten und Gliederfüßer erzeugen durch das Aneinanderreiben zweier Stellen ihres Chitinpanzers, meist der Beine oder der Flügel, sirrende, zirpende, kratzende, brummende oder schnarrende Geräusche. Auch Vogelspinnen können einen drohenden Laut gegenüber Störenfrieden zur Warnung von sich geben.
Die Redensart “sich mit Grillen plagen”, oder “sich die Grillen aus dem Kopf schlagen” knüpft daran an, Insekten und Spinnen als Bild für Unruhe oder Realitätsferne zu verwenden. Hier wird auf das tinnitusartige Gezirp angespielt, das Grillen unablässig von sich geben. Als “Grillen” werden Gedanken bezeichnet, die vordergründig und unignorierbar durch den Kopf schwirren. [1]
In der anrührenden Janosch-Adaption der La-Fontaine-Fabel “La cigalle et la fourmi”, umgedeutet zu “Die Grille und der Maulwurf” ist die Grille die Vertreterin der brotlosen Kunst, die Ameise die der sturen Arbeit. [2] Die Illustration zeigt eine kleine, magere, unscheinbare Frau mit einer Geige unter dem Arm durch den unwirtlich hereinbrechenden Winter stapfen und um Unterschlupf bitten.
Von allen Fleißigen, Reichen und Selbstgefälligen ab- und zurechtgewiesen findet sie schließlich Aufnahme beim Maulwurf – blind mit einer gelben Armbinde versehen – in seiner unterirdischen Kammer. Sie haben einander etwas zu geben: Er gibt Unterhalt, sie trägt Unterhaltung bei. Wie oft bei den Hintersinnigen wird die konventionelle Wertung der Fabel hier verkehrt. Nicht die berechnende Vorsorge der Ameise wird besungen, sondern die Sorglosigkeit des Künstlers, der gleich den Vögeln unter dem Himmel und den Lilien auf dem Felde in den Tag hinein lebt.
Für den aufmerksamen Naturbeobachter ist das Bild der fiedelnden Grille sinnig. Der durchdringende Ton, den Grillen erzeugen, gleicht technisch dem Fiedeln, denn er entsteht durch das Reiben geeigneter Organe aneinander.
Lateinisch stridere, strideo, heißt zirpen, knirschen, dazu gehört das Verbum intensivum stridulare, eine Verstärkung. Das Fachwort heißt entsprechend Stridulation, stridulieren, “fiedeln”, damit wird der Vorgang des Führens von Schrillkanten – etwa an den Beinen – über Schrillflächen – meist an den Flügeln – bezeichnet. [3]
[1] http://www.springerlink.com/content/p487086111542q52/fulltext.pdf?page=1
[2] “Eine Grille hatte den ganzen Sommer über nichts anderes getan, als auf ihrer Geige gefiedelt. Sich selbst zur Freude und für die kleinen Tiere auf dem Feld zum Tanzvergnügen. Aber dann kam der Herbst und dann der Winter und sie hatte nichts zu essen …”
[3] Encarta: Stridulation
Gunhild Simon
28. September 2009
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