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Krise und Risiko

In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit haben zwei Begriffe Konjunktur: Krise und Risiko. Eine Wirtschaftskrise, wie sie derzeit droht und für viele bereits spürbar ist, birgt für den Einzelnen das Risiko, seine Existenzgrundlage zu verlieren, weil die Krise wie ein Strudel wirkt, der alles zu verschlingen droht.

Krise ist aus dem Giechisch-Lateinischen entlehnt: crisis bedeutet Entscheidungssituation, in der eine gefährliche Entwicklung gipfelt. Krise ist somit weniger ein Zustand, wie sie als wirtschaftlich problematische Zeit verstanden wird, als vielmehr der Wendepunkt, dem eine Entscheidung zwischen zwei denkbaren Möglichkeiten folgt. Dieser Punkt markiert eine Entscheidung zwischen Chance und Rückfall, zwischen Erfolg und Misserfolg, zwischen Fortschritt mit frischen Kräften und Verharrung in einem Zustand von Vergeblichkeit.

Krise ist ein medizinischer, psychologischer [1] und ökonomischer Fachterminus, der eigentlich besagt, dass der Ausgang einer bis zum Äußersten zugespitzten Ausnahmesituation unmittelbar bevorsteht.

Krise ist ursprünglich ein der Struktur des klassischen griechischen Dramas entlehnter Begriff: Die Protagonisten sind schicksalhaft in einen Konflikt verstrickt, der sich unaufhaltsam zuspitzt, um in der Crisis , dem unabwendbaren Zwiespalt, zu gipfeln. Von nun an entscheidet sich der weitere Verlauf entweder zum Guten oder Schlimmen. Diesen Verlauf nimmt auch die klassische Tragödie, deren Crisis jedoch durch einen unlösbaren Konfliktn zwischen zwei gleich tragischen Alternativen gekennzeichnet ist, sodass Tod, Verderben oder Untergang unausweichlich sind.

Risiko ist ein dem Itanienischen entlehnter Begriff. Darin ist riskieren, wagen, und riskant, gewagt, enthalten. Risiko bedeutet Wagnis, Gefahr in einer unsicheren Situation, die Verluste birgt. Risiken geht man ein oder vermeidet sie.

Risikofreude beschreibt einen Kitzel, den das Risiko hervorrufen kann. Sie macht sich die situative Unsicherheit zunutze, um im Falle eines glücklichen Ausgangs umso mehr zu profitieren.

Ein Risiko geht man ein, man setzt sich ihm selbst aus – das ist eine aktive Handlung des Individuums. Das Risiko ist eine akzeptierte Herausforderung, ein unwägbares Va-banque-Spiel. Eine Krise dagegen ist wie eine höhere Gewalt mit gleichsam schicksalhafter Natur. Die Krise ist ein nicht mehr beeinflussbares Geschehen, dem man durch fremde Mächte ausgeliefert ist.

Krise und Risiko gemeinsam sind die Ungesteuertheit und der ungewisse Ausgang. Das Risiko nimmt ihn in Kauf, während die Krise Herrschaft über das Objekt hat. Einer Krise ausgesetzt ist man Spielball einer entfremdeten Entwicklung.

[1] Dipl. Psych. R. D’Amelio, Universitätskliniken des Saarlandes – Studienbrief: Krise und Krisenintervention (pdf)

Gunhild Simon
Sep 30 2012

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