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Leinwand und Gewand

Legt Gewand einen Bezug zu Leinwand nahe?

Leinwand ist ein veraltetes Synonym für Leinen. Dessen Rohstoff ist Flachs. Aus den gewässerten, getrockneten, gebleichten, gekämmten langen Pflanzenfasern wird Stoff gewebt. [1]

Dem Prozess des Webens entstammt der Begriff Wand. [2] Wände wurden früher nach römischem Vorbild aus geflochtenen Weidenzweigen gestaltet und anschließend zu einer glatten Fläche verputzt. Weben und Wenden sind also in ihrer Grundvorstellung miteinander verknüpft. Dazu gesellen sich die Verben winden, und flechten.

Wie aber entsteht die lautliche Nähe zwischen Leinwand und Gewand, ein Umstand, der die Neigung erzeugt, anzunehmen, ein Gewand sei aus Leinwand gefertigt?

Gemeinsam ist beiden Wörtern jedoch nur das Verb wenden. Jedoch ist wenden jeweils unterschiedlich zu verstehen.

Während beider Leinwand das Wenden im Auf und ab, im Hin und Her des Webens begründet ist, hat es beim Gewand damit eine andere Bewandtnis.

Eine Vermutung gründet sich auf das begutachtende Befühlen und Wenden des Tuches beim Kauf. Diese Erklärung greift jedoch zu kurz, denn das lateinische Wort für Festgewand gibt eine nachhaltigere Erklärung.

Das Verb wandeln hat zwei unterschiedliche Bedeutungen, die auf ein ursprünglich gleiches Bild zurückgehen. In heutiger Sprache stecken wenden und wechseln noch in verwandeln, während wandeln im Sinne von tauschen, vertauschen noch in der juristischen Sprache des Kaufrechts “mindern oder wandeln” oder in der liturgischen Vorstellung der Wandlung der Hostie vorkommt. Auch wandeln im Sinne von sich hierhin und dorthin wenden, von hin- und hergehen, ist der altertümlichen Sprache von Märchen, Gesangbuch und Bibel vorbehalten.

Grimm [3] bezieht sich bei seiner Interpretation auf den lateinischen Ausdruck für Gewand, Festgewand und – eigentümlicherweise – Badegewand vestis mutatoria, “Wechselkleid”. Dieses ist identisch mit Feierkleid, das man nach heutiger Auffassung mit dem Begriff Gewand verbindet.

Diesen Ansatz führt er aus, indem er beschreibt, dass nach dem Bade, und dies speziell zu einem festlichen Anlaß, die Unterkleider gewechselt wurden. Sie wurden gewechselt, gewandelt.

Darüber legte man ein zu besonderer Gelegenheit zu tragendes Festgewand, das “Badegewand”an. Demnach ist dies kein im oder nach dem Bad zu tragendes Kleidungsstück im heutigen Sinn sondern das Feierkleid.

Zur Begründung fügt er u.a. eine Lutherübersetzung aus den Josephs-Geschichten des Alten Testaments an:
Joseph sinen bruderen gebetemit sabeniner wate,
iegelicheme zwei padgwantso man si be??est da vant. [4]

[1] Wikipedia – Flachsfaser

[2] Im Zusammenhang mit “aufwendig”, nach neuer Rechtschreibung auch “aufwändig” mit einer gewissen Berechtigung zu schreiben, hatte ich mich mit der Frage Aufwand – Wand – wenden näher beschäftigt:
Diese Aussagen stützen sich weitgehend auf die Informationen, die aus dem Duden- Herkunftswörterbuch hervorgehen.
blog.institut1: Einwand und einwenden – Aufwand und aufwenden

[3] Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm: GEWAND

[4] genesis, fundgruben 2, 71, 3

Gunhild Simon
Jul 02 2010

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