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Löwenzahn (Taraxacum sect. Ruderalia)

Jetzt ist die gelbe Pracht auf den Maiwiesen verblüht. Von den fragilen Pusteblumen, die dem dottergelben Überfluss folgten, sind nur noch die kahlen, hochaufgeschossenen Samenstände geblieben, während sich die Wattewölkchen mit denen von Weide und Pappel vermengten.

Der Löwenzahn gehört zu den Korbblütlern, Asteraceae. Der lateinische Fachterminus gibt einen Hinweis durch das Wort astra, Gestirn, Stern auf das Aussehen. Die Blüte ist sternförmig – ein “Blütenstern”, wie Margerite, Gänseblümchen, Aster und Sonnenhut.

Unter einem Korbblütler versteht man botanisch einen Blütenstand, der sich aus vielen kleinen Einzelblüten zu einer als Ganzes wahrgenommenen Blüte zusammenfügt. Während sich die meisten Korbblütler mit einem leuchtenden insektenanziehenden Kranz von Scheinblüten umgeben, deren Mitte den generativen Blütenbestand bildet, besteht die Löwenzahnblüte aus lauter gleichartigen Blüten, die parthenogenetisch – jungfräulich, selbstbefruchtend – Samen ausbilden.

Daraus erklärt sich die vollständige und gleichzeitige Reifung der Samen in Form des kugeligen Samenstands der “Pusteblume”. Dieser Reifungsprozess vollzieht sich unabhängig von Insektenbesuch. Die Blüten schließen sich nachts und bei ungünstiger Witterung.

Die “Pusteblume” ist der der Samenstand, von dem sich die mit einem fallschirmartigen Flugapparat ausgerüsteten Samen lösen, um sich vom Wind davontragen zu lassen. Diese Verbreitungsart ist biologisch sehr erfolgreich. Das spiegelt sich wider im Ärger der auf puristische Rasenflächen fixierten Gärtner. Jedem Exemplar stellen sie mit einem langen Messer nach. Diese Bewaffnung ist allerdings vonnöten, denn um die Pflanze mit Stumpf und Stiel auszumerzen, muss man es mit zäher Gegenwehr im Kampf um die Vorherrschaft auf der Wiese aufnehmen: Die verborgene Waffe der Löwenzahnpflanze ist die tiefgründende, regenerierungsfähige Pfahlwurzel. Wie durchsetzungsfähig der Löwenzahn ist, lässt sich erkennen, wenn er gelegentlich den Asphaltvon unten sprengt, um ans Licht zu vorzudringen. [1]

Die ganze Pflanze enthält bis in die Wurzel eine bitter schmeckende “Milch”. Daher heißt sie auch regional Milchkraut. Kühe und Bienen mögen Löwenzahn. Löwenzahnhonig hat einen spezifischen unverkennbaren Geschmack, der an den herben Geruch der Blüten erinnert.

Auch Menschen sollten sich nicht erst an der üppigen Farbe des Frühlingsboten erfreuen.

Löwenzahn ist ein sehr wohlschmeckender, und durch die winterlichen Bitterstoffe, anregender Salat. Wie bei allen Salaten muss er jung, also vor der Blüte, vor Ende April, gestochen werden. Herzhaft angemacht mit einer lauwarmen Marinade mit gebratenen Speckwürfeln und Croutons ist er eine echte Frühlingsbotschaft für den ganzen Körper.

Die Blätter des Löwenzahns sind gezähnt – gezackt wie das Gebiss eines Löwen. Daher der alte botanische Fachbegriff Leontodon. Dieses griechische Wort findet sich auch in dem altfranzösischen Wort dont de lion wieder, das dem englischen dondelion seinen Namen verlieh. Im modernen Französisch heißt der Löwenzahn neben dent-de-lion pissenlit. Genauer betrachtet erkennt man darin pisse en lit, auf saarländisch “Bettsäächer”, Bettnässer. Das deutet auf die harndrangfördernde Wirkung hin. Außerdem regt das Kraut die Sekretion der Verdauungsorgane, der Galle, der Bauchspeicheldrüse und die Lebertätigkeit an und wirkt auf diese Weise innerlich reinigend.

[1] Der Name Saxifraga, Steinbrech, ist schon anderweitig vergeben an eine weitverzweigte Blumenart, der man wegen ihres Wuchsortes zwischen Felsspalten – zu Unrecht – felsbrechende Wirkung nachsagte. Allerdings könnte auch ein küchenlateinischer Aspekt aus den Kräutergärten der mittelalterlichen Mönche hinzukommen, denn Saxifraga hat eine gallensteinlösende Wirkung.

Gunhild Simon
Mai 27 2010

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