Thumulla.com

Mir ist so blümerant

In Preußen sprach der Adel zur Zeit Friedrichs des Großen französisch. Während der napoleonischen Vorherrschaft in Europa spielte auch die französische Sprache eine besondere Rolle als Zeichen von Stand und Bildung. Die meisten kennen das Wort als “plümerant”. Jedoch richtig lautet es “blümerant”.

Das Adjektiv blümerant bezeichnet ein Übelkeitsgefühl, also flau, schwach, schwindelig, hinfällig. Wenn einem unwohl ist, verliert sich die Gesichtsfarbe. Man wird leichenblass oder grünlich. Die Wendung “blümerant vor den Augen” hat noch einen weiteren Aspekt: Wenn einem im Kampf mit Übelkeit schwindelig wird, scheint sich ein bläulicher Schimmer über das Gesichtsfeld zu legen.

In blümerant verbirgt sich ein französisches Wort. Es ist, korrekt geschrieben, französisch bleu mourant, sterbendes, ersterbendes Blau.

Ein merkwürdiges Fremdwort.

Es ist umgangssprachlich, wie man an der Schreibung erkennt. Denn bei der Ableitung versagen die Fremdsprachenkenntnisse.

Es liegt daran, dass die Aussprache “plümerant” einen auf falsche Fährten lockt. Offenbar ist die Schreibung nur aus dem Hörverstehen abgeleitet. Es steckt jedoch anderes darin als plume, Feder, plumer, rupfen, plumeau, Staubwedel - anders als  im Deutschen. Da ist das Plumeau eine Daunendecke.

Bleu mourant ist der bläuliche Farbton der Blauen Stunde, der Dämmerung, wenn der Himmel vom Blau zum Grau übergeht, oder wenn der Morgen graut. Es ist die livide Farbe der Sterbenden, wenn das pulsierende Blut nicht mehr durchscheint, das die Haut rosig wirken lässt. In der Malerei ist es ein mattes, ins Graue spielendes Blau*. Es ist auch das ungewisse Blau, das Rainer Maria Rilke in seinem Gedicht beschreibt:

Blaue Hortensie

So wie das letzte Grün in Farbentiegeln
sind diese Blätter, trocken, stumpf und rauh,
hinter den Blütendolden, die ein Blau
nicht auf sich tragen, nur von ferne spiegeln.

Sie spiegeln es verweint und ungenau,
als wollten sie es wiederum verlieren,
und wie in alten blauen Briefpapieren
ist Gelb in ihnen, Violett und Grau;

Verwaschnes wie an einer Kinderschürze,
Nichtmehrgetragnes, dem nichts mehr geschieht:
wie fühlt man eines kleinen Lebens Kürze.

Doch plötzlich scheint das Blau sich zu verneuen
in einer von den Dolden, und man sieht
ein rührend Blaues sich vor Grünem freuen.

Aus: Neue Gedichte (1907)

*vgl. ZEIT-MAGAZIN LEBEN, Heft 27, über Vilhelm Hammershoi, S.28 ff

Gunhild Simon
3.07.2008

alle    deutsche Sprache    Gunhild Simon    Startseite(__index)



Thumulla.com    Startseite der Artikel    Links und Werbung    Diskussion    Suche auf dieser Seite